(Oldenburger International 07/2013)
Aktuell hat sich das Landgericht Lüneburg mit gleich zwei Unfällen von Pferden in einem Pferde-Einstellbetrieb sowie auf einer Hengststation zu befassen. Wieder geht es um die Frage der Haftung des Stallbetreibers für die bei ihm eingestellten Pferde.
Huftritt von einer anderen Stute
Im ersten Fall kam es zu einer schweren Verletzung eines im Pferde-Einstellbetrieb geborenen Fohlens. Die Stutenherde mit den Fohlen war bereits die gesamte Saison zusammen auf der Weide. Abends kamen die Stuten mit den Fohlen in den Stall. Der Pensionsbetrieb handhabte das Hereinbringen der Stuten mit Fohlen so, dass nur die Stuten am Kopf genommen und in die Box geführt wurden. Die Fohlen liefen frei. Eines der Fohlen lief beim Hereinbringen schon im Stallgebäude zu einer anderen Stute, die nach ihm austrat. Das Fohlen wurde schwer verletzt, es bekam einen Tritt vor dem Kopf, direkt am Auge. Der Glaskörper des Auges wurde bei dem Tritt zerstört, der Schädel war gebrochen. Das Fohlen musste sofort notoperiert werden, dass Auge war nicht mehr zu retten. Der Stallbetreiber war nicht nur beim Hereinbringen der Pferde anwesend, er war auch Halter der Stute, die das Fohlen getreten hatte. Vor dem Landgericht Lüneburg machte nun der Eigentümer des Fohlens Schadensersatzansprüche wegen des erheblichen Wertverlustes für das Fohlen, es war nämlich bereits für die Elite-Fohlenauktion des Hannoveraner Verbandes angenommen worden, geltend, sowie die Kosten, welche er in der Tierklinik für die Behandlung des Fohlens aufgewandt hatte.
Er berief sich darauf, dass der Stallbetreiber sowohl als Tierhalter für die schädigende Stute hafte, da es sich um ein typisches tierischen Verhalten handelt nach anderen Pferden auszuschlagen, ebenfalls machte er den Stallbetreiber dafür verantwortlich, dass er nicht die erforderliche Sorgfalt beim Hereinbringen der Pferde aufgewandt hatte. Das Landgericht Lüneburg hörte den Beklagten persönlich an und fragte ihn, ob er heute etwas anders machen würde beim Hereinbringen seiner Stuten mit den Fohlen. Er erklärte, dass er ein kleiner Betrieb sei und nicht noch mehr Menschen einstellen könne, um die Fohlen auch noch ans Halfter zu nehmen. Daher könne er jetzt auch nichts anders machen als damals. Diese Aussage wertete das Landgericht dahingehend, dass es durchaus sicherer gewesen wäre, hätte man nicht nur die Stute, sondern auch das Fohlen ans Halfter genommen und jeweils geführt. Es schlug daher einen Vergleich dahingehend vor, dass der Stallbetreiber rund ¾ der geltend gemachten Schadensersatzforderung an den Eigentümer des Fohlens zahlt.
Grundsätzlich kommt in diesem Fall natürlich auch die Haftung als Tierhalter in Betracht. Die hinter dem Pensionsstallbetreiber stehende Tierhalterhaftpflichtversicherung verweigerte in diesem Fall jedoch die Zahlung, weil sie sich darauf berief, dass es keine Haftung zwischen Tierhaltern gebe, wenn die Pferde gemeinsam auf der Weide ständen. Dies ist natürlich vollkommener Unsinn. Die Tierhalterhaftung ist verschuldensunabhängig, stehen Pferde gemeinsam auf der Weide und es verwirklicht sich eine typische Tiergefahr, so haftet ein jeder Halter für den von seinem Pferd verursachten Schaden – ohne dass es auch nur auf ein Verschulden ankommt. Kommt es zum Schaden aufgrund einer Interaktion der Pferde, bei der sich typisches tierisches Verhalten zeigt, werden üblicherweise Haftungsquoten gebildet. Es wird dann ermittelt, inwieweit die eigene Tiergefahr des verletzten Tieres schadenmindernd zu berücksichtigen ist. Das Landgericht wies in diesem Fall daher auch daraufhin, dass es sich hier um eine typische Tiergefahr handelt, die sich verwirklicht hat und bejahte eine Haftung dem Grunde nach. Ob hier eine Quote in Betracht kommt, weil das Fohlen schließlich auch zur anderen Stute gelaufen, lies das Gericht offen, erklärte aber, dass die Quote wenn sehr gering sei.
Verletzung auf der Deckstation
Im zweiten Fall hatte sich eine Stute, die sich beim Hengsthalter zum Zwecke des Besamens befand, an der Vordergliedmaße schwer verletzt. Wie es genau zum Unfall gekommen ist, steht nicht fest, die Stute wurde morgens auf der Pferdeweide gemeinsam mit anderen Stuten, die sich dort zum Bedecken aufhielten, stark blutend aufgefunden. Auf der Weide befand sich ein Wasserwagen mit Deichsel. Die Angestellten der Hengststation hatten an dem Wasserwagen Haare der Stute gefunden, wo genau, war im Nachgang streitig. Ursprünglich soll gesagt worden sein, dass sich die Haare an der Deichsel des Wasserwagens befanden. Dies ist eine bekannte Gefahrenquelle, da sich die Pferde schwere Schnittverletzungen zuziehen können, wenn sie in die Deichsel treten und dann in Panik ziehen. Es gibt daher einige Urteile, die sich damit beschäftigen, ob es sorgfaltsgemäß ist, die Deichsel am Wasserwagen so auf der Weide stehen zulassen, dass die Pferde hineingeraten können. Die überwiegende Rechtsprechung geht davon aus, dass die Deichseln an Wasserwagen wenn möglich abzumontieren sind, in jedem Fall sollen die Wasserwagen so gestellt werden, dass die Pferde nicht an die Deichsel herankommen. Dies gilt im Übrigen auch für alle anderen Gerätschaften, die häufig auf Pferdeweiden aufbewahrt werden. Sie sind grundsätzlich so abzusperren, dass die Pferde damit nicht in Kontakt kommen und sich daran verletzen können.
Die Stute ist infolge der schweren Schnittverletzung, bei der sich noch wildes Fleisch gebildet hatte und sich die gesamte Heilung sehr kompliziert darstellte, für den Sport nicht mehr einsetzbar. Da es sich um ein hoch erfolgreiches Sportpferd handelt, das nur zwischendurch ein Fohlen bekommen und dann wieder im Sport eingesetzt werden sollte, besteht max. ein Wert als Zuchtstute, nicht aber mehr als Sportpferd. Die Klägerin in diesem Verfahren macht daher den ihr entstandenen Schaden in Form des Wertverlustes gegen die Hengststation geltend, wobei sie sich darauf beruft, dass alles dafür spricht, dass sich die Stute die schwere Verletzung am sorgfaltswidrig abgestellten Wasserwagen zugezogen hat. Das Gericht hat daher zunächst darüber Beweis erhoben, ob sich die Stute die Verletzung dort zugezogen hat. Sollte es zu einer Unaufklärbarkeit der Ursache kommen, wird das Gericht zu entscheiden haben, ob sich der Inhaber der Hengststation entlasten kann, d.h. dass er den Nachweis führen kann, dass ihn kein Verschulden am Eintritt des Schadens trifft. Das Landgericht wies nämlich darauf hin, dass es vom Vorliegen eines entgeltlichen Verwahrungsvertrages ausgeht und daher davon ausgeht, dass der Stallbetreiber, in diesem Fall der Inhaber der Hengststation, den Nachweis führen muss, dass ihn kein Verschulden am Eintritt des Schadens trifft. Wenn nicht feststeht, wie sich das Pferd die schwere Schnittverletzung überhaupt zugezogen hat, spricht vieles dafür, davon auszugehen, dass er diesen Nachweis eben nicht geführt hat.
Der Fall zeigt wieder, wie wichtig es für Stallbetreiber ist, eine Haftpflichtversicherung für Schäden an eingebrachten Tieren zu unterhalten. Gerade bei Pferden weiß man nämlich oft nicht, wie ein Schaden überhaupt entstanden ist und dann kommt es in der Praxis auf die Frage der Beweislast an. Wie ein solcher Fall im Ergebnis entschieden wird, ist oft vollkommen offen.
Müller Klein, Fachanwältin für Medizinrecht