(05/2012)
Grundsätzlich haftet jeder Pferdehalter nach § 833 BGB dritten Personen gegenüber für Schäden, die durch das eigene Pferd verursacht werden. Die Tierhalterhaftung ist vom Gesetzgeber verschuldensunabhängig ausgestaltet, d.h. den Pferde-Eigentümer muss kein Verschulden daran treffen, dass sein Pferd eine dritte Person verletzt hat. Eine Ausnahme sieht der Gesetzgeber nur für Nutztierhalter in § 833 S. 2 BGB vor. Nutzertierhalter sind all diejenigen Personen, die das Tier in Ausübung ihres Berufes halten, um damit ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Der Gesetzgeber privilegiert Personen, die Tiere nicht aus Hobby sondern zum Erwerb halten, indem sie bei Verursachung von Schäden dem Dritten gegenüber nur dann haften, wenn sie die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nicht beachtet haben oder aber der Schaden auch bei Anwendung der im Verkehr üblichen Sorgfalt entstanden wäre. Den Beweis im Streitfall, dass der Nutzertierhalter die ihm obliegende Sorgfalt beachtet hat, muss der Nutzertierhalter selber führen. Häufig wird dies durch Einholung eines Sachverständigengutachtens erfolgen, nachdem der zu Grunde liegende Sachverhalt durch das Gericht ermittelt wurde.
Die Schadenfälle durch Pferde sind vielfältig und beschäftigen die Justiz regelmäßig. Im Jahr 1991 musste beispielsweise das Oberlandesgericht in Düsseldorf die Höhe des Schmerzensgeldes bestimmen, nachdem ein Pferd einem jungen Mädchen gegen die linke Gesichtshälfte getreten hatte. Ein 17-jähriges Mädchen wurde durch einen vorbeigehenden Wallach auf der Stallgasse derart geschlagen, dass der Sehnerv des linken Auges abriss und es dadurch zur Erblindung des linken Auges kam. In Anbetracht des noch jungen Alters der Geschädigten hielt das Oberlandesgericht ein Schmerzensgeld von damals umgerechnet 35.000 € für angemessen. Im Jahr 2001 musste das Oberlandesgericht München über einen ähnlichen Fall entscheiden. Ein sechsjähriges Kind hatte sich einem Pferd von hinten genähert, dieses erschrak und trat das Kind gegen den Kopf. Daraufhin kam es bei dem Kind zu einem Dauerschaden in Form einer dauerhaften Sehkraftverminderung auf dem linken Auge mit der Gefahr einer Netzhautablösung. Hier sah das Oberlandesgericht München ein Schmerzensgeld von 30.000 € als angemessen. Dabei wurde berücksichtigt, dass das Kind bereits eine Sehschwäche auf dem rechten Auge hatte.
Einen besonders schweren Fall musste das Landgericht Köln 1998 entscheiden. Infolge eines Huftrittes gegen den Kopf erblindete eine erst 23-jährige jungen Frau vollständig. Das Landgericht verurteilte den Pferdehalter, der Frau ein Schmerzensgeld von rund 150.000 € zu zahlen. Dabei wurde ein Mitverschulden der Frau von 1/3 berücksichtigt.
Häufige Verletzungen sind Bissverletzungen an den Finger, vornehmlich bei kleinen Kindern. Diese sind oft im Umgang mit Pferden nicht hinreichend geschult und werden dann beim Füttern der Tiere gebissen. Da die Tierhalterhaftung verschuldensunabhängig ist, hat der Tierhalter auch hier für den Schaden einzustehen. In Betracht kommt allenfalls die Berücksichtigung eines Mitverschuldens, das in Abzug gebracht werden kann. Die Ermittlung erfolgt in der Regel durch das Gericht unter Berücksichtigung des jeweiligen Sachverhaltes.
Durch Pferdebisse werden häufig Finger abgequetscht oder vollständig abgetrennt. Als Entschädigung für den Verlust des Zeigefingermittelgliedes wurde einer Frau durch das Landgericht Gera im Jahr 2005 ein Schmerzensgeld von 5000 € zuerkannt. In diesem Falle wurde ein Mitverschulden ausgeschlossen. Hier ist eine deutliche Anhebung des Schmerzensgeldes erkennbar, denn noch im Jahr 1991 wurde bei einer vollständigen Abquetschung des vorderen Fingergliedes des Ringfingers der linken Hand einer Frau nur ein Schmerzensgeld von 2500 DM, also rund 1300 € zuerkannt.
Durch Pferdetritte kommt es auch immer wieder zu Beinfrakturen. So erlitt beispielsweise eine 43-jährige Frau eine Schienbeinkopfverrenkungsfraktur durch einen Huftritt. Dabei verschob sich die Fraktur in 4 Teilstücke. Die Frau musste insgesamt sechs Wochen stationär in der Klinik aufgenommen werden, wobei nach zwei Jahren eine weitere Operation zwecks Entfernung der Metallimplantate erfolgte. Als Entschädigung erhielt sie nur einen Betrag von 3500 € als Schmerzensgeld, ohne dass ein Mitverschulden vorgelegen hätte.
Es zeigt sich, wie wichtig es ist, als Tierhalter eine Tierhalterhaftpflichtversicherung zu besitzen, die in einem solchen Fall eintrittspflichtig ist. Schmerzensgelder werden in Deutschland nach wie vor nicht sehr hoch bezahlt, ein Schaden wird aber dann erheblich, wenn man bedenkt, dass auch die Krankenversicherung Regress beim Schädiger für die verauslagten Heilbehandlungskosten nimmt. Ebenfalls kann der Geschädigte zusätzlich zum Schmerzensgeld den gesamten ihm entstandenen Schaden, also auch Verdienstausfall, Fahrtkosten, Haushaltsführungsschaden etc. geltend machen. Rechnet man all diese Positionen zusammen, kommt man auch bei “harmlosen” Verletzungen, die an sich nur ein geringes Schmerzensgeld begründet haben, zu immens hohen Forderungen, die schon manchen Tierhalter in die Insolvenz getrieben haben. Man kann sich ausrechnen, was alleine ein 6-wöchiger Krankenhausaufenthalt für Kosten verursacht!
Iris Müller-Klein, Fachanwältin für Medizinrecht