(Ehlers-Verlag 11/2017)
Frage: Ich habe vor sechs Wochen eine Stute auf eine Anzeige im Internet hin erworben. Das Pferd habe ich vor dem Kauf nicht in Augenschein genommen, da es mehrere 100 km entfernt stand. Ich habe lediglich ein Video gesehen und das Protokoll der klinischen Kaufuntersuchung, die durch die Verkäuferin durchgeführt wurde. Als das Pferd dann bei mir eingetroffen ist, musste ich feststellen das es hochgradig ataktisch ist. Dies hat auch mein Tierarzt bestätigt. Ich habe dann in der Vergangenheit des Pferdes recherchiert und relativ schnell herausgefunden, dass es 1,5 Jahre vor dem Verkauf an mich wegen Ataxie in die Zucht abgegeben wurde. Ob die Verkäuferin dies wusste, kann ich nicht beurteilen. In jedem Fall habe ich Zeugen dafür, dass das Pferd schon vor 1,5 Jahren erheblich erkrankt und unreitbar war. Wie muss ich jetzt vorgehen? Dazu möchte ich noch betonen, dass die Verkäuferin eine Händlerin ist, ich bin eine Privatperson.
Antwort: Da Sie nicht wissen, ob die Verkäuferin von der Mangelhaftigkeit des Pferdes Kenntnis hatte, zumindest können Sie es nicht beweisen, müssen Sie die Verkäuferin zunächst zur Nachbesserung auffordern. Dabei sollten Sie schon darauf hinweisen, dass Sie Zeugen dafür haben, dass das Pferd bereits vor 1,5 Jahren nachweislich erkrankt war und daher nicht mehr geritten werden konnte. Die Aufforderung zur Nachbesserung muss unter Setzung einer angemessenen Frist erfolgen. Nach Ablauf der Frist können Sie dann den Rücktritt vom Kaufvertrag erklären, wobei Sie zur Rückzahlung des Kaufpreises und Erstattung der notwendigen Verwendungen auf das Pferd auffordern müssen, ebenfalls unter Setzung einer angemessenen Frist. Notwendige Verwendungen sind all die Aufwendungen, die Sie zum Erhalt des Pferdes getätigt haben, so typischerweise die Unterstellkosten, Tierarzt- und Hufschmiedekosten. Keine notwendigen Verwendungen sind beispielsweise die Anschaffung eines Sattels, Fahrtkosten die Sie zum Transport des Tieres hatten etc. Diese Kosten sind rechtlich als Schadensersatzposition zu werten. Schadensersatz gibt es nur, wenn der Verkäufer die Mangelhaftigkeit zu vertreten hat. Dies wäre dann der Fall, wenn die Verkäuferin hätte wissen müssen oder sogar positiv wusste, dass das Pferd erkrankt ist. Nach Ihrer Schilderung können Sie dies nur vermuten, beweisen wird man es nicht können, denn sogar der Tierarzt hat die Ataxie nicht festgestellt.
Sollten Sie keine Ansprüche gegen die Verkäuferin geltend machen können, weil sie beispielsweise nicht zahlungsfähig ist, können Sie auch Ansprüche gegen den Tierarzt durchsetzen. Ich habe Sie so verstanden, dass Auftraggeber der Kaufuntersuchung die Verkäuferin des Pferdes war. Diese ist also Vertragspartnerin des Tierarztes, so dass sie nur aus einem so genannten Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter gegen den Tierarzt vorgehen können. Dies bedeutet, dass Sie nur dann Ansprüche gegen den Tierarzt wegen der Erstellung eines falschen Gutachtens haben, wenn Sie sich nicht bei Ihrer Vertragspartnerin, der Verkäuferin, schadlos halten können. Hätten Sie die Kaufuntersuchung beauftragt, könnten Sie sowohl den Tierarzt als auch die Verkäuferin in Anspruch nehmen, diese haften nach ständiger Rechtsprechung als so genannte Gesamtschuldner. Sie können die Verkäuferin und auch den Tierarzt jeweils auf die volle Summe in Anspruch nehmen. Dabei ist die Haftung des Tierarztes weitergehend, denn dieser haftet nur dann, wenn er einen Fehler begangen hat. Der Fehler liegt hier in der Erstellung eines falschen Gutachtens, denn wenn das Pferd hochgradig ataktisch ist und schon vor 1,5 Jahren war, hätte er dies bei der klinischen Kaufuntersuchung feststellen müssen. Hier liegt also ein Verschulden positiv vor, so dass Sie gegenüber dem Tierarzt auch Schadensersatzpositionen geltend machen können, nicht nur die notwendigen Verwendungen.
Frage: Ich bin Eigentümerin einer Quarter Horse Stute, aus der ich mir im vergangenen Jahr ein Fohlen gezogen habe. Das Fohlen ist meines Erachtens nach gesund zur Welt gekommen, wenige Tage nach der Geburt hat der Stallbetreiber dann einen mir unbekannten Tierarzt gerufen, da er davon ausging, dass das Darmpech nicht vollständig abgegangen ist. Der Tierarzt hat dem Fohlen dann einen Einlauf gemacht, allerdings nicht mit einem Gummischlauch, wie ich es kenne, sondern mit einem Metallrohr. Als er das Metallrohr aus dem After zog war daran Blut. Dies haben mehrere Zeugen gesehen, der Tierarzt hat dazu nichts weiter gesagt. Dem Fohlen ging es daraufhin extrem schlecht, der Tierarzt riet dazu, das Fohlen samt Mutter bei ihm in die Klinik zu überweisen. Dort führte er eine Notoperation durch und stellte fest, dass die Blase des Fohlens einen Riss hatte. Er erklärte mir unter Zeugen, dass er die Blase genäht habe und jetzt alles in Ordnung sei. Tatsächlich konnte das Fohlen nach dem Eingriff nicht mehr urinieren. Der Tierarzt riet zur Euthanasie. Ich habe mich dann durchgesetzt und das Fohlen samt Mutter in die nächste große Tierklinik gebracht. Dort wurde festgestellt, dass das Fohlen schon eine Peritonitis hatte, der Bauchraum war voller Urin. Die Blase ist offensichtlich keinesfalls vernäht worden, der Eingriff ist völlig misslungen. Ich gehe davon aus, dass der Tierarzt mit dem Metallrohr die Blase beschädigt hat, denn das Fohlen hat nachweislich nach der Geburt ganz normal uriniert. Da ich erhebliche Tierarztkosten hatte, das Fohlen stand mit seiner Mutter fast einen Monat in der Tierklinik, möchte ich diese Kosten vom Tierarzt ersetzt haben. Außerdem weiß ich noch nicht, ob das Fohlen einen Schaden davongetragen hat, möglicherweise zeigt sich dies erst wenn man das Pferd reiten möchte. Welche Ansprüche kann ich gegen den Tierarzt geltend machen?
Antwort: Zunächst muss geprüft werden, ob der Tierarzt tatsächlich die Blase beschädigt hat. Dazu ist zu fragen, ob die Verabreichung eines Einlaufes mittels eines Metallrohres dem tierärztlichen Standard entspricht. Grundsätzlich stellt sich auch die Frage, ob der Tierarzt nicht sofort weitere Maßnahmen hätte ergreifen müssen, als sich am Metallrohr Blut gezeigt hat. Auch bei einer rektalen Untersuchung entspricht es nämlich ständiger Rechtsprechung, dass der Tierarzt sofort weitergehende Maßnahmen ergreifen muss, wenn sich Blut am Handschuh zeigt, selbiges muss bei einem Einlauf mittels eines Metallrohres erst recht gelten. Die Gefahr ist einfach sehr groß, dass eine Verletzung des Darmes geschehen ist. Da hier jede Minute zählt, muss er in eine entsprechende Tierklinik überweisen. Als weiterer Behandlungsfehler kommt in Betracht, dass der Tierarzt die Blase offensichtlich nicht ordnungsgemäß genäht hat. Auch hier stellt sich die Frage, ob der Tierarzt dies nicht hätte erkennen müssen und das Fohlen sofort in eine Klinik hätte überweisen müssen. All diese Fragen kann im Ergebnis nur ein tiermedizinischer Sachverständiger beantworten. Sie sollten unbedingt von dem Tierarzt eine Fotokopie der tierärztlichen Dokumentation anfordern. Dies muss immer gegen Erstattung der Kosten für die Fertigung der Fotokopien erfolgen. Das Einsichtsrecht besteht nach ständiger Rechtsprechung nicht nur in der Humanmedizin, sondern auch in der Tiermedizin. Sie sollten dem Tierarzt daher eine angemessene Frist setzen, Ihnen die Fotokopien zukommen zu lassen. Anhand dieser Dokumentation und der Dokumentation der weiterbehandelnden Tierklinik sollten Sie dann einen Tiermediziner befragen, ob er hier Behandlungsfehler sieht. Wenn dies bejaht wird, sollten Sie sich einen Anwalt suchen der für Sie die Ansprüche geltend macht. Da Sie noch nicht wissen, ob bei dem Fohlen selber ein Schaden eingetreten ist, der dazu führt, dass es eines Tages möglicherweise sogar nicht reitbar ist, kann im Klagefall ein sogenannter Feststellungsantrag gestellt werden. Ein Feststellungsantrag kann für etwaige materielle Zukunftsschäden geltend gemacht werden, so dass bezüglich dieser Schäden keine Verjährung eintritt. Es muss im Klagefall nur vorgetragen werden, dass Zukunftsschäden wahrscheinlich sind, was in Ihrem Fall naheliegend ist. Sie können dann die Tierarztkosten ersetzt verlangen, ebenfalls die Feststellung, dass der Tierarzt für die weiteren materiellen Zukunftsschäden einzutreten hat, die derzeit noch nicht beziffert werden können, da eben noch nicht absehbar ist, wie sich die Gesundheit des Fohlens entwickelt. Erfahrungsgemäß ist es sinnvoll, dass Sie den Ablauf der Behandlung und wann was festgestellt wurde in einem Kalender oder ähnlichem notieren. Bis es nämlich zu einer mündlichen Verhandlung kommt, können Monate vergehen. Es macht daher sind, dass man das Geschehene festhält und auch die Zeugen bittet, Ihre Erinnerungen aufzuschreiben. Dies ist natürlich nicht zwingend, hat sich in der Praxis aber durchaus bewährt.
Frage: Ein Bekannter von mir hat im Sommer mehrere seiner Pferde bei mir untergestellt, da wir sehr viel Gras hatten. Wir hatten ausgemacht, dass ich mich um die gesamte Versorgung der Pferde kümmere und er die Pferde dann zum Winter hin wieder abholt. Leider hat er wohl finanzielle Probleme, er hat rein gar nichts bezahlt, die Pferde stehen nun auch im Winter hier und ich muss ich jeden Monat die Kosten tragen, was mir auf Dauer nicht möglich ist. Inzwischen geht der Eigentümer auch nicht mehr ans Telefon, ein Pferd muss dringend tierärztlich behandelt werden – was kann ich machen?
Antwort: Leider geschieht es immer wieder, dass Pferdeeigentümer nicht mehr die Möglichkeiten haben, die Kosten zu tragen. Anstelle des Abschaffens der Pferde werden diese dann anderweitig eingestellt und man meldet sich einfach nicht mehr. Je nach Ausgestaltung des Vertrages ist zu prüfen, ob es sich um einen entgeltlichen Verwahrvertrag handelt, oder um einen typengemischten Vertrag mit einem Schwerpunkt im Mietrecht. Dies ist dann der Fall, wenn neben der Verwahrung weitere Leistungen geschuldet sind, so beispielsweise die Nutzung der Reitanlage etc. In diesem Fall entsteht nach herrschender Meinung ein gesetzliches Pfandrecht an den eingebrachten Pferden. Falls Sie einen Einstellvertrag gemacht haben, ist dort auch häufig zusätzlich ein vertragliches Pfandrecht an den Tieren geregelt. Dann stellt sich die Frage nicht, was für eine Art von Vertrag es überhaupt ist. Hier sollten Sie bitte noch einmal nachsehen, falls Sie einen schriftlichen Vertrag haben. Da es zu viel Zeit kostet, die Unterstellkosten einzuklagen und die Pferde jeden Monat weitere Kosten verursachen, sollten Sie die Pfandverwertung der Tiere einleiten. Dies erfolgt so, dass Sie sich auf ihr gesetzliches Pfandrecht (oder eben das vertragliche, je nachdem was Sie vereinbart haben) berufen. Der Vertragspartner kann dann innerhalb von einem Monat die Pferde gegen Zahlung des offenen Entgeltes bei Ihnen auslösen. Erfolgt dies nicht, können Sie die Tiere nach Ablauf der Monatsfrist versteigern lassen. Nach der Versteigerung haben Sie eine ordnungsgemäße Abrechnung zu erteilen. Bleibt ein Guthaben zu Gunsten des Pferdeeigentümers, muss dieses natürlich ausgekehrt werden, wobei Sie alle Ihre Kosten abziehen können. In der Regel kann die Pfandverwertung innerhalb von 6-8 Wochen nach Androhung durchgeführt werden. In dieser kurzen Zeit haben Sie in der Regel noch keinen Zahlungstitel, so dass Sie mit diesem die Pferde pfänden und dann durch den Gerichtsvollzieher verkaufen könnten. Dies ist häufig auch relativ teuer, daher bietet sich die Pfandverwertung als schnellere Möglichkeit an.
Iris Müller-Klein, Fachanwältin für Medizinrecht