(Pferdesport Bremen 11/2013)
Aktuelle Fälle aus der Rechtsprechung: Im Bereich des sogenannten Pferderechtes gibt es wieder neue Rechtsprechung. Meist ist die Rechtsprechung nicht neu, aber es lassen sich durch mehrere ergangene Erscheinungen Tendenzen erkennen. Interessant ist momentan der Bereich der Tierarzthaftung, hier gibt es nämlich zwei diametrale Entscheidungen eines Oberlandesgerichts.
Haftung des Tierarztes
Der Bundesgerichtshof hatte im vergangenen Jahr entschieden, dass der Verkäufer eines Pferdes direkt Ansprüche wegen einer fehlerhaften Kaufuntersuchung gegen den Tierarzt geltend machen kann, wenn der Verkäufer auch Auftraggeber der Kaufuntersuchung ist. Hintergrund ist, dass dann ein Vertragsverhältnis zwischen dem Tierarzt und dem Käufer des Pferdes besteht. Der Bundesgerichtshof hatte die bis dahin streitige Frage entschieden, ob der Verkäufer des Pferdes und der Tierarzt als Gesamtschuldner haften, d.h. also auch in einem Rechtsstreit verklagt werden können und beide gleichermaßen gegenüber dem Käufer des Pferdes haften. Nachdem diese Frage nun bejaht worden ist, stellt sich die nächste Problematik rund um die Haftung des Tierarztes.
Wenn der Käufer nicht Auftraggeber der Kaufuntersuchung ist, sondern der Verkäufer, besteht kein Vertrag zwischen Tierarzt und Käufer des Pferdes. Es ist aber anerkannt, dass der Käufer eines Pferdes über das Rechtsinstitut des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter in den Schutzbereich des Vertrages zwischen Verkäufer und Tierarzt einbezogen sein kann. Die Schutzbedürftigkeit des Käufers ist allerdings nach ständiger Rechtsprechung nur dann gegeben, wenn er selber keine gleichwertigen vertraglichen Ansprüche gegen den Verkäufer des Pferdes hat. In derartigen Fällen wird daher üblicherweise der Verkäufer wegen der Mangelhaftigkeit des Pferdes in Anspruch genommen. Dem Tierarzt wird der Streit verkündet. Dies hat die Folge, dass der Tierarzt in Anspruch genommen werden kann, sollte der Anspruch gegen den Verkäufer des Pferdes nicht bestehen. Denn auch wenn eine fehlerhafte Kaufuntersuchung vorliegt, begründet dies nicht gleich einen Mangel des Pferdes. Hier muss im Einzelfall entschieden werden, was überhaupt als gesundheitliche Beschaffenheit des Pferdes vereinbart wurde. Darüber hinaus ist nicht jede Abweichung des Pferdes von der Norm im Skelett ein Mangel des Pferdes. Auch dies hat der Bundesgerichtshof bereits entschieden. Demzufolge ist es nicht selten vorgekommen, dass Ansprüche gegen den Verkäufer nach einer fehlerhaften Kaufuntersuchung erfolglos waren. Da aber kein direktes Vertragsverhältnis mit dem Tierarzt begründet wurde, musste erst der Verkäufer in Anspruch genommen werden, um dann über das Rechtsinstitut des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter an den Tierarzt herantreten zu können.
Besonders problematisch sind die Fälle, in denen der Verkäufer wirksam seine Gewährleistung ausgeschlossen hat, oder aber Gewährleistungsansprüche bereits zum Zeitpunkt des Entdeckens des Mangels verjährt sind. In einem solchen Fall haben nie vertragliche Ansprüche des Käufers gegen den Verkäufer bestanden. Der Dritte, hier also der Käufer, könnte in einem derartigen Fall über das Rechtsinstitut des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter direkt Ansprüche gegen den Tierarzt geltend machen wollen. Voraussetzung ist – wie ausgeführt – dass der Käufer des Pferdes keine eigenen gleichwertigen vertraglichen Ansprüche gegen seinen Vertragspartner, also den Verkäufer des Pferdes, hat. Hier berücksichtigt die Rechtsprechung in der Regel, dass er sich dieser eigenen vertraglichen Ansprüche selber enthoben hat, wenn er die Gewährleistung mit dem Verkäufer wirksam ausgeschlossen hat. In einem derartigen Fall kann der Käufer nicht einfach an den Tierarzt herantreten und Schadenersatz verlangen, wenn er gleichzeitig sich seiner eigenen vertraglichen Ansprüche bewusst enthoben hat, indem er beispielsweise die Gewährleistung vollumfänglich mit dem Verkäufer ausgeschlossen hat.
Nunmehr liegt aber eine obergerichtliche Entscheidung vor, wonach der Käufer – obgleich er nicht Vertragspartner des Tierarztes ist – über das Rechtsinstitut des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter direkt Ansprüche gegen den Tierarzt geltend machen kann. Dabei hat das Oberlandesgericht nicht darauf abgestellt, ob überhaupt Ansprüche gegen den Verkäufer, also dem eigentlichen Vertragspartner des Käufers, bestehen. Denn in dem hier entschiedenen Fall hatte auch der Verkäufer den Tierarzt mit der Kaufuntersuchung beauftragt. Das Oberlandesgericht argumentierte, dass der Käufer deshalb direkt gegen den Tierarzt vorgehen könne, weil die Ansprüche, die er gegen den Tierarzt hat, nicht gleichwertig sind mit den Ansprüchen, die er gegen seinen Vertragspartner, dem Verkäufer, im Streitfall hätte. Der Schadenersatzanspruch gegen den Tierarzt ist nämlich umfassender als der Gewährleistungsanspruch gegen den Verkäufer. Kommt es nämlich zur Rückabwicklung des Kaufvertrages, so kann der Käufer vom Verkäufer den Ersatz aller notwendigen Verwendungen auf das Pferd verlangen, nicht vorvertragliche Kosten etc. Mit dieser Argumentation hat das Oberlandesgericht bestätigt, dass ein Käufer eines Pferdes, ohne vorher Ansprüche gegen den Verkäufer geltend zu machen, direkt gegen den Tierarzt vorgehen kann, auch wenn er zuvor den Verkäufer in Anspruch genommen hat und auch nicht Auftraggeber der Kaufuntersuchung ist.
Bis jetzt ist diese Entscheidung als Einzelfallentscheidung zu werten. Das Oberlandesgericht hat in anderen Fällen auch genau umgekehrt entschieden, nämlich, dass erst gegen den Vertragspartner vorgegangen werden muss und nur dann, wenn keine Ansprüche bestehen, der Rechtsweg gegen den Tierarzt eröffnet ist, da der Käufer des Pferdes nur dann schutzbedürftig ist, wenn er eben keine eigenen gleichwertigen vertraglichen Ansprüche gegen den Verkäufer des Pferdes hat. Ein ähnlich gelagerter Fall liegt derzeit dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vor. Es bleibt also spannend, wie sich diese Rechtsfrage weiter entwickelt. Praktisch wäre es eine Katastrophe für Tierärzte, wenn der Käufer eines Pferdes direkt Ansprüche gegen den Tierarzt wegen einer vermeintlich fehlerhaften Kaufuntersuchung geltend machen kann, selbst wenn er nicht Auftraggeber der Kaufuntersuchung ist und nicht zuvor seinen Vertragspartner in Anspruch nehmen muss. Da üblicherweise Tierärzte eine Haftpflichtversicherung unterhalten und die finanzielle Situation eines Pferdeverkäufers oft ungewiss ist, wird die Zahl der Prozesse gegen Tierärzte weiter zunehmen.
Haftung des Stallbetreibers
Auch nach der aktuellen Rechtsprechung ist der Stallbetreiber gut beraten, wenn er eine Obhutschadenversicherung für die bei ihm eingebrachten Pferde unterhält. Inzwischen gehen die meisten Gerichte aufgrund der vorliegenden Entscheidungen ohne näher zu differenzieren, davon aus, dass der Pferdeeinstellvertrag ein entgeltlicher Verwahrvertrag ist. Dies hat zur Folge, dass sich im Falle der Verletzung des Pferdes der Stallbetreiber entlasten muss, d.h. er muss den Nachweis führen, dass ihn kein Verschulden an der Verletzung trifft. Ist die Ursache der Verletzung unaufklärbar, so geht dies zu Lasten des Stallbetreibers. Sowohl das Amtsgericht Bautzen als auch das Landgericht Lüneburg gingen in einer jüngsten Entscheidung davon aus, dass die Unaufklärbarbeit einer Verletzungsursache zulasten des Verwahrers geht und dazu führt, dass der Entlastungsbeweis als misslungen angesehen werden muss. Daher sollte jeder Stallbetreiber zu seinem eigenen Schutz eine Obhutschadenversicherung unterhalten und darauf achten, dass die Haftungshöchstsumme nicht zu niedrig bemessen ist.
Iris Müller-Klein, Fachanwältin für Medizinrecht