(Hubertus RV Bremen 06/2016)
Die Turniersaison hat genauso begonnen wie auch die schönste Jahreszeit zum Ausreiten. Stellt sich heraus, dass das erworbene Pferd hochgradig allergisch ist, trübt sich die Freude über das Wetter jedoch schnell.
Rechtliches zum Sommerekzem
Was ist juristisch ein Sommerkzem? Die Tiermedizin versteht darunter ein Spektrum an allergischen Hautsymptomen, vorwiegend – aber nicht alleine – einer Typ I Allergie ausgelöst bzw. unterhalten durch Insekten, die zum Zwecke der Nahrungsaufnahme die Pferde heimsuchen. Eine Typ I Allergie bedeutet, dass sich beim Kontakt mit dem auslösenden Allergen spezifische Antikörper bilden, die an Rezeptoren auf der Oberfläche bestimmter Zellen gebunden werden. Diese Zellen sind danach für das jeweilige Allergen sensibilisiert. Im Falle des Sommerekzems stammt das auslösende Allergen u.a. aus Stechmücken verschiedener Culicoides-Arten. Die klinischen Erscheinungen des Ekzems fallen zeitlich mit der Flugzeit von Insekten zusammen und setzen mit der warmen Jahreszeit ein. Die Mastzellen-Sensibilisierung, die wie oben beschrieben stattfindet, ist ausschlaggebend für die wiederkehrende Allergiesymptomatik und kann auch nach Monaten oder gar Jahren ohne Allergenkontakt bestehen bleiben. Auf dem Nachweis des Sensibilisierungsstatus gegen Culicoides-Allergene beruht der funktionelle Invitrotest (FIT), der zur Diagnostik beim Sommerekzem verwendet wird. Dieser FIT-Test wird in der Arbeitsgruppe Immunologie der Tierärztlichen Hochschule Hannover durchgeführt. Es wird der Sensibilisierungsgrad des jeweiligen Pferdes gegen Culicoides-Allergene qualitativ und quantitativ ermittelt. Der Test beruht auf einem funktionellen Nachweis der allergenspezifischen Antikörper auf den basophilen Granulozyten. Bei Pferden mit Sommerekzem ist stets eine Sensibilisierung gegen Culicoides-Allergene oder auch andere Insekten nachweisbar, auch wenn keine klinischen Erscheinungen sichtbar sind, so also auch im Winter. Von einem Sommerekzem spricht man aber erst, wenn die oben beschriebene Sensibilisierung nachgewiesen ist und zusätzlich die klinischen Erscheinungen des Ekzems vorliegenden, so z.B. der deutliche Juckreiz.
Im Falle eines Rechtsstreites hat der sog. FIT Test ganz zentrale Bedeutung, da er zumindest derzeit der einzige Test zum Nachweis des Sommerekzems ist, der von den Gerichten – immer unter tiermedizinisches Beratung – anerkannt wird.
Erwirbt man ein Pferd, welches sich deutlich scheuert und Anzeichen eines Sommerekzems zeigt, sollte man so schnell wie möglich den oben genannten Test vom Tierarzt durchführen lassen. Je kürzer er nach Übergabe gemacht wird, desto aussagekräftiger ist er für die Frage, ob die Erkrankung zumindest im Keim bei Übergabe vorlag. Die meisten tiermedizinischen Sachverständigen gehen davon aus, dass der Nachweis des Kontaktes mit dem Allergen max. 4-6 Wochen rückdatiert werden kann. Kauft man also ein Pferd von einem Verbraucher, nützt es einem wenig, wenn man den Test erst Monate nach Übergabe durchführt. Man wird in einem Rechtsstreit den Beweis nicht mehr führen können, dass tatsächlich zum Zeitpunkt der Übergabe ein Sommerekzem vorgelegen hat. Denn für das Gericht muss mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen, dass die Erkrankung zum Übergabezeitpunkt vorlag. Dies bedeutet, es dürfen keine Zweifel daran bestehen. Eine derartige Sicherheit kann die Tiermedizin selten geben, schon gar nicht nach Wochen und Monaten.
Wenn muss also schnell der FIT Test gemacht werden, um den Nachweis noch führen zu können.
Hufrehe
Im Sommer tritt durch die verstärkte Haltung der Pferde auf den Weiden auch die Hufrehe vermehrt auf. Nicht selten stellt der Pferdehalter nach dem Kauf fest, in der Regel nach dem ersten Besuch des Hufschmiedes, dass das gerade von ihm erworbene Pferd eine deutlich verbreiterte weiße Linie hat und somit nach Auffassung des Hufschmiedes eine Hufrehe durchlitten hat.
Bestätigt sich dieser Verdacht nach Hinzuziehung des Tierarztes, obliegt der Nachweis, dass die Hufrehe schon zum Zeitpunkt der Übergabe vorlag, grds. beim Käufer. Anders ist dies nur beim Verkauf eines Pferdes vom Verbraucher an einen Unternehmer zu bewerten. Hier hat der Europäische Gerichtshof im vergangenen Jahr noch einmal klargestellt, dass zugunsten des Verbrauchers vermutet wird, dass ein Mangel, der innerhalb von sechs Monaten auftritt, bei Übergabe auch schon vorlag. Ob dies gerecht ist, kann man als sehr fraglich ansehen. Denn eine Hufrehe kann nach tiermedizinischen Studien in weniger als einem Tag bei einem Pferd – röntgenologisch nachweisbar – entstehen. In der Praxis entscheidet sich ein Rechtsstreit daher immer danach, wer die Beweislast hat. Der Käufer oder der unternehmerisch tätige Verkäufer. Dabei ist auch der Beweis dafür, dass eine Erkrankung nicht vorgelegen hat, immer sehr schwer zu führen. Denn auch hier kann sich die Tiermedizin mangels entsprechender Studien häufig nicht zeitlich festlegen. Möglich ist auch in der Tiermedizin fast alles.
Iris Müller-Klein, Fachanwältin für Medizinrecht