(Oldenburger International u. Pferdesport Bremen 01/2018)
Ende des Jahres macht sich der Züchter spätestens Gedanken, welchen Hengst er im nächsten Jahr einsetzen möchte. Nicht umsonst beginnen schon Anfang des kommenden Jahres die Hengstschauen! Bis ein lebendiges Fohlen geboren ist, kann es aber ein durchaus langer Weg sein. Partner des Züchters ist immer der Tierarzt, der sich um die Besamung der Stute und später die Betreuung rund um die Geburt kümmert. Leider kann dem Tierarzt im Rahmen der Betreuung rund um die Trächtigkeit ein Behandlungsfehler unterlaufen.
1) Zwillingsträchtigkeit
Immer wieder problematisch ist die Zwillingsträchtigkeit. Wer aber haftet und wenn unter welchen Gesichtspunkten, wenn ein Tierarzt die Trächtigkeit der Stute bestätigt und die Stute dann nach einigen Monaten mit Zwillingen verfohlt? Einen so gelagerten Fall hatte das Oberlandesgericht in Celle zu entscheiden. Dem lag der folgende Sachverhalt zu Grunde:
Die Klägerin war Pferdezüchterin und beauftragte den Tierarzt im Frühjahr damit, bei ihrer Stute eine Trächtigkeit herbeizuführen. Das daraus entstehende Fohlen sollte im darauffolgenden Jahr verkauft werden. Der Tierarzt führt dann im Abstand von zwei Tagen zwei Besamungen der Stute durch. Am 15. bzw. 17. Tag nach dieser Besamung stellte der Tierarzt per Ultraschall eine Trächtigkeit fest. Dabei erkannte er aber nicht, dass die Stute mit Zwillingen tragend war. Anfang des darauffolgenden Jahres hatte die Stute dann eine starke Kolik. Der Tierarzt überwies die Stute in eine Tierklinik. Die Stute musste dort operiert werden, es wurde ein Kaiserschnitt durchgeführt, die Fohlen verstarben wenige Tage nach der Geburt. Der Tierarzt verlangte für seine Behandlung rund 5000 €, die Stute wurde daraufhin nicht mehr tragend.
Die Eigentümerin der Stute ärgerte sich massiv über das Verhalten des Tierarztes. Sie verlangte daher den Ersatz der Kosten für die vermeintliche Kolikbehandlung der Stute, zusätzlich verlangte sie Ersatz für die ausgebliebenen Fohlen in den folgenden Zuchtjahren. Dazu behauptete die Züchterin, der Tierarzt hätte die Zwillingsträchtigkeit feststellen müssen. Sie behauptete, sie hätte in Kenntnis der Zwillingsträchtigkeit dafür Sorge getragen, dass entweder eine Leibesfrucht abgedrückt wird oder aber gar beide Fohlen entfernt würden, umso zu gewährleisten dass die Stute wenigstens in den Folgejahren wieder aufnimmt. Zusammen mit den Kosten für die tierärztliche Behandlung machte sie insgesamt rund 10.000 € als Schadensersatz gegenüber dem Tierarzt geltend. Der Tierarzt wandte ein, dass ihm kein Fehler unterlaufen sei. Er sei lediglich damit beauftragt worden, die Besamung der Stute durchzuführen. Dies habe er getan, sogar erfolgreich. Im Übrigen sei die Kolik, aufgrund dessen die Fohlen im Ergebnis zu Tode gekommen seien, nicht durch die Zwillingsträchtigkeit verursacht worden.
Das Gericht holte daraufhin ein Sachverständigengutachten ein. Der Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass der Tierarzt eine Pflichtverletzung aus dem Behandlungsvertrag begangen habe, weil er die Zwillingsträchtigkeit vorwerfbar nicht erkannt habe.
Der Sachverständige führte in seinem Gutachten aus, dass ein tierärztlicher Behandlungsfehler darin zu sehen sei, dass der Tierarzt die Pferdehalterin nicht darüber aufklärte, dass eine weitere Untersuchung zur Feststellung einer Zwillingsträchtigkeit zwingend erforderlich sei, denn er hatte die Untersuchung 15 bzw. 17 Tage nach der Besamung durchgeführt. Der Sachverständige führte aus, dass dies nicht dem Stand der tiermedizinischen Wissenschaft entspreche. Das Gericht nahm daher an, dass die Aufklärung der Klägerin über eine erforderliche Nachuntersuchung von einer nach den Regeln der tierärztlichen Kunst durchgeführten Trächtigkeitsuntersuchung erfasst sei. Zwar hätten die Parteien keine konkrete Absprache über die einzelnen Bestandteile der tierärztlichen Untersuchung, insbesondere betreffend den Ausschluss einer Zwillingsträchtigkeit der Stute getroffen. Das Gericht ging jedoch davon aus, dass zumindest die Aufklärung der Pferdehalterin über eine erforderliche Nachuntersuchung von einer lege artis durchgeführten Trächtigkeitsuntersuchung erfasst sei. Wenn ein Tierarzt nämlich den Auftrag übernehme, ein Tier zu behandeln, schulde er nicht nur den Einsatz der von einem gewissenhaften Veterinärmediziner zu erwartenden tiermedizinischen Kenntnisse und Erfahrungen. Es sei auch seine Aufgabe, den Auftraggeber über die Behandlungsmethoden, ihre Gefahren und Risiken zu beraten. Erst dadurch werde der Stutenhalter in die Lage versetzt zu entscheiden, welche Behandlung das Tier erhalten solle. Deshalb seien Art und Umfang der tierärztlichen Aufklärungspflicht im Einzelfall nach den dem Tierarzt erkennbaren Interessen des Auftraggebers oder nach dessen besonderen Wünschen, die er äußert, zu bestimmen.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass der Tierarzt hier seine Aufklärungspflicht verletzt hatte. Da ein jeder Züchter aufgrund der damit verbundenen erheblichen gesundheitlichen Risiken für die Stute und auch die Fohlen selber keine Zwillingsträchtigkeit wünscht, gelte das Interesse des Züchters eine Zwillingsträchtigkeit möglichst frühzeitig und sicher auszuschließen. Der Sachverständige führte aus, dass der Tierarzt in diesem Falle den Untersuchungszeitpunkt 15 bzw. 17 Tage nach der Besamung zu früh gewählt habe, um mit verantwortbarer Sicherheit eine Trächtigkeit zu bescheinigen und Zwillinge sicher auszuschließen. Das Gericht ging daher davon aus, dass der Tierarzt die Pferdehalterin hätte aufklären müssen, dass zum sicheren Ausschluss einer Zwillingsträchtigkeit eine weitere Nachuntersuchung erforderlich sei. Denn nur so könne ein gesunder und risikoarmer Verlauf der Trächtigkeit der Stute gewährleistet werden.
Damit stand nach den Feststellungen des Gerichtes fest, dass eine Aufklärungspflichtverletzung und damit ein Verstoß gegen gesicherte tierärztliche Erkenntnisse vorlag. Es stellte sich nun die Frage, ob ein Kausalzusammenhang zwischen diesem Behandlungsfehler und den gesundheitlichen Folgen für die Stute, nämlich das Entstehen einer schweren Kolik mit dem Erfordernis einer Notoperation inklusive Kaiserschnitt, bestand. Der Tierarzt verwies nämlich immer wieder darauf, dass die eingetretene Kolik in keinem Zusammenhang mit der Zwillingsträchtigkeit stehe.
Das Gericht beschäftigte sich mit diesem Punkt ausführlich und kam zu dem Ergebnis, dass hier ein grober Behandlungsfehler des Tierarztes vorliege. Die Nichtreaktion des Tierarztes stelle sich nämlich als fundamental falsch dar, aus objektiv tierärztlicher Sicht bei Auslegung eines für einen Tierarzt geltenden Ausbildungs- und Wissensmaßstabes sei das Verhalten des Tierarztes nicht mehr verständlich und verantwortbar, weil es klar gegen die wirtschaftlichen Interessen der Pferdehalterin und gegen die Gesundheit der behandelten Stute gerichtet sei. Zu diesem Ergebnis kam das Gericht nach Auswertung des tiermedizinischen Sachverständigengutachtens.
Bei einem groben Behandlungsfehler kehrt sich grundsätzlich die Beweislast, so dass die verbleibende Ungewissheit zur Frage, ob die Kolikbehandlung wirklich kausal auf der Zwillingsträchtigkeit beruhte zu Lasten des Tierarztes ging. Er konnte nicht beweisen, dass kein Zusammenhang bestand, so dass es im Ergebnis nur noch um die Berechnung der Schadenhöhe ging. Aus diesem Grunde verurteilte ihn das Gericht dazu, die gesamten Behandlungskosten für die Kolikbehandlung zu erstatten. Des Weiteren führte das Gericht aus, dass nach den Feststellungen des Sachverständigen davon auszugehen sei, dass die Stute ohne die Zwillingsträchtigkeit ein gesundes und normal entwickeltes Fohlen bekommen hätte. Dieses Fohlen hätten nachweislich auf dem Fohlenmarkt Erlöse von bis zu 6000 € erbracht. Unter Berücksichtigung der ersparten Eigenaufwendungen der Pferdehalterin für die Haltungskosten des Fohlens schätzte das Gericht einen ersatzfähigen Schaden in Höhe von rund 5000 € für das Fohlen der kommenden Saison. Dabei nahm das Gericht an, dass die jährlichen Unterstellkosten für ein Fohlen mit rund 50 €/Monat im ersten Lebensjahr zu bemessen seien.
Anders sah das Gericht jedoch den geltend gemachten Schaden für die darauffolgende Saison. Das Gericht ging davon aus, dass man nicht unterstellen könne, dass die Stute auch in der nächsten Saison aufgenommen hätte. Hätte man unterstellt, dass die Stute auch in der nächsten Saison aufgenommen hätte, so würde dies nach Auffassung des Gerichtes dazu führen, dass man dem Tierarzt das allgemeine Risiko einer Besamung auferlegt hätte. Denn aus Sicht des Gerichtes war es nicht zwingend, dass die Stute in jedem Fall wieder tragend geworden wäre.
Das Gericht sprach der Stuteneigentümerin daher den Ersatz der Kosten für die Kolikbehandlung zu sowie den Ersatz des in dem Jahr der Zwillingsträchtigkeit geborenen Fohlens, welchen das Gericht mit rund 5000 € bemaß.
2) Risiken der Follikelkontrolle
Zu Haftungsfällen führt auch immer wieder die Follikelkontrolle. Wie jede rektale Untersuchung ist sie nämlich mit dem Risiko der Darmperforation verbunden. Aus diesem Grunde ist größte Obacht darauf zu legen, dass am Handschuh des Untersuchers nicht frisches rotes Blut entdeckt wird. Ist dies der Fall, müssen sofort weitere Untersuchungen eingeleitet werden, um die Ursache herauszufinden und gegebenenfalls in eine Klinik zu überweisen.
In der Regel ist es so, dass die Verletzung des Darmes im Rahmen einer Rektaluntersuchung keinen Behandlungsfehler darstellt. Behandlungsfehlerhaft ist es aber, dann nicht zu reagieren, wenn am Untersuchungshandschuh frisches rotes Blut erkennbar ist. In diesen Fällen muss der Tierarzt sofort reagieren und die Ursache ausfindig machen, um dann geeignet zu behandeln. Häufig ist dies vor Ort nicht möglich, so dass dann die sofortige Überweisung in eine Tierklinik erfolgen muss, um ggf. durch eine zeitnahe Operation das Leben des Pferdes zu retten.
Vor zwei Jahren erfolgte eine Trächtigkeitsuntersuchung bei einer Ponystute. Auch hier wurde vom Pferdeeigentümer frisches rotes Blut am Handschuh des Untersuchers festgestellt und der Tierarzt sogar darauf aufmerksam gemacht. Dieser erklärte, dass dies schon einmal vorkommen könne und nicht weiter bedenklich sei. Der Pferdeeigentümer vertraute dem Tierarzt vollumfänglich. Die Untersuchung hatte am Vormittag stattgefunden, den Tag über war die Ponystute völlig unauffällig. Bei der morgendlichen Fütterung am nächsten Tag lag die Stute dann plötzlich tot in der Box. Die durchgeführte Obduktion ergab, dass es zu einer Darmperforation gekommen war und die Stute in der Folge daran verstarb. Der Tierarzt meldete den Schaden sofort seiner Berufshaftpflichtversicherung, die ein Privatgutachten bei einem Tiermediziner in Auftrag gab. Dieser kam ebenfalls zu dem Ergebnis, dass das frische Blut am Handschuh Anlass hätte geben müssen, sofort weitere Untersuchungen vorzunehmen und gegebenenfalls in eine Tierklinik zu überweisen. Aufgrund dieses Sachverhaltes entschädigte die Versicherung den Pferdehalter außergerichtlich, es bedurfte nicht einmal einer gerichtlichen Klärung. Der Behandlungsfehler stand für die Versicherung nach dem Gutachten fest, bezüglich des Wertes der verstorbenen Stute einigten sich die Parteien.
In der tiermedizinischen Fachliteratur geht man davon aus, dass es keine Aufklärungspflicht des Tierarztes gegenüber dem Tierbesitzer gibt, auf das Risiko einer Darmverletzung bei der Rektaluntersuchung hinzuweisen. Begründet wird dies damit, dass die Mastdarmperforation ein äußerst seltenes Ereignis sei. Unabhängig davon ist immer zu bedenken, dass gerade bei der Follikelkontrolle keine Alternative besteht, diese durchzuführen. Zu einer Darmperforation kann es auch immer kommen, so dass die Perforation an sich in den allerseltensten Fällen ein Behandlungsfehler ist. Viel entscheidender ist, dass der Tierarzt, der die Perforation verursacht hat, unabhängig davon ob dies bei einer Rektaluntersuchung zum Zwecke der Durchführung der Follikelkontrolle oder aber anlässlich der Kolikbehandlung geschieht, die Perforation erkennt und sofort handelt. Je länger die Perforation nämlich zurück liegt, desto schlechter sind die Chancen, die Stute bzw. das Pferd zu retten.
Als Pferdeeigentümer sollte man daher auch immer darauf achten, dass kein Blut am Handschuh des Untersuchers erkennbar ist und falls doch sollte man hier sofort den Tierarzt aufmerksam machen. Sobald sich das Verhalten des Pferdes nach einer rektalen Untersuchung ändert, sollte man nicht warten, sondern sofort einen Tierarzt hinzuziehen. Sollte es dann tatsächlich zum Versterben des Pferdes kommen, kann nur angeraten werden, eine Obduktion durchzuführen. Denn ohne ein entsprechendes Obduktionsergebnis ist dem Tierarzt eine Darmperforation in der Regel nicht nachweisbar. Daher ist es immer wichtig, unverzüglich zu handeln. Glücklicherweise geht meist alles gut, so dass man sich auf ein Fohlen in der kommenden Saison freuen kann.
Rechtsanwältin Müller-Klein, Fachanwältin für Medizinrecht