(Quarter Horse Journal 06/2016)
Es gibt eigentlich keinen Mangel, der nicht von Pferdekäufern gerügt wird. Immer wieder streitbefangen sind jedoch die Zähne des Pferdes. Hintergrund ist vermutlich, dass die Zähne häufig beim Pferdekauf nur gering beachtet werden. Dies beginnt damit, dass im Rahmen der klinischen Kaufuntersuchung nur die Adspektion der Zähne geschuldet ist. Häufig denkt der Pferdebesitzer, dass eine vollständige Kontrolle der Zähne damit verbunden ist, tatsächlich schuldet der Tierarzt im Rahmen der Kaufuntersuchung aber nur die Inaugenscheinnahme der Schneidezähne des Pferdes. Da das Gebiss bekanntermaßen weit umfangreicher ist, werden in einer Kaufuntersuchung Mängel des Gebisses häufig übersehen, ohne dass dem Tierarzt hier ein Vorwurf zu machen ist. Wer hier also sichergehen will, muss gesondert den Auftrag erteilen, dass mittels eines Maulgatters das gesamte Gebiss in Augenschein zu nehmen ist.
Das Oberlandesgericht Celle musste sich jüngst mit zwei Zahn-Rechtsstreitigkeiten befassen. Im ersten Fall hatte der unternehmerisch tätige Verkäufer ein Pferd verkauft, welches zum Zeitpunkt des Verkaufes gerade einmal vier Jahre alt war. Der mittlere obere Schneidezahn war noch ein Milchzahn, welches der Tierarzt bei der Inaugenscheinnahme des Gebisses übersehen hatte. Daher hatte er im Kaufuntersuchungsprotokoll angegeben, dass die Zähne des Pferdes ohne Befund seien. In der Folge fiel der Milchzahn, der eigentlich schon im Alter von 2,5 Jahren hätte gewechselt werden müssen, heraus. Eine Zahnanlage gab es aber nicht, sodass das Pferd eine Zahnlücke hatte, zusätzlich bildete sich eine Fistel. Das Pferd hatte hiermit aber – was unstreitig war – keinerlei Probleme. Die Käuferin, die das Pferd für therapeutisches Reiten ausbilden wollte, machte nun Gewährleistungsansprüche geltend und nahm den Verkäufer auf Rücknahme des Pferdes in Anspruch.
Das erstinstanzliche Gericht holte ein Sachverständigengutachten zur Frage ein, ob bei dem Pferd ein Mangel vorliegt und ob dieser Mangel zum Zeitpunkt der Übergabe bestand. Der Gutachter kam zu dem Ergebnis, dass der fehlende Schneidezahn dem Pferd keinerlei Probleme bereitete, allerdings durch die Zahnlücke ein vermehrter Zahnpflegeaufwand erforderlich sei, den er mit 80-100 € pro Jahr angab. Das erstinstanzliche Gericht wies dann aus verschiedenen Gründen die Klage ab, nicht jedoch das zweitinstanzliche Gericht. Dieses sah in dem fehlenden Schneidezahn einen erheblichen Mangel des Pferdes, da dem armen Käufer nicht zugemutet werden könne, bei einem immerhin in der Anschaffung 10.000 € kostenden Pferd jährliche Zahnpflegekosten von 80-100 € auf sich zu nehmen. Dabei ging das Gericht nicht weiter darauf ein, dass die Zähne des Pferdes ohnehin einmal jährlich durch den Tierarzt auf Haken etc. untersucht werden sollen. Der Verkäufer musste das Pferd zurücknehmen und konnte es – trotz der Zahnlücke – innerhalb von wenigen Wochen für den identischen Kaufpreis verkaufen. Nur hatte er nun die gesamten Unterhaltungskosten bis zur Rücknahme des Pferdes zu tragen und zusätzlich erhebliche Rechtsanwalts-, Gerichts- und Sachverständigenkosten. Aus diesem Grunde nahm er in einem Folgeprozess den Tierarzt in Anspruch, den er mit der damaligen Kaufuntersuchung beauftragt hatte. Diese war nach den Feststellungen des Sachverständigen fehlerhaft, denn im Rahmen der Inaugenscheinnahme der Schneidezähne hätte der die Kaufuntersuchung durchführende Tierarzt erkennen müssen, dass das Pferd noch einen Milchzahn hatte, der im Alter von 2,5 Jahren hätte gewechselt werden müssen. Zum Zeitpunkt des Kaufes war das Pferd immerhin schon 4 Jahre alt, insofern hätte der Milchzahn dort also nicht mehr sein dürfen. Dies hätte vom Tierarzt nach Auffassung des Sachverständigen im Kaufuntersuchungsprotokoll vermerkt werden müssen. Im Ergebnis hat der Tierarzt rund die Hälfte der gezahlten Unterstellkosten sowie der Rechtsanwalts- und Gerichtskosten erstatten müssen.
Im zweiten Fall musste sich das Oberlandesgericht Celle mit der Frage auseinandersetzen, ob ein Pferd zum Zeitpunkt der Übergabe mangelbehaftet war, welches eine Narbe im Gesichtsbereich aufwies, die vom Tierarzt im Rahmen der Kaufuntersuchung auch erwähnt worden ist. Die Adspektion der Maulhöhle wurde mit „o.B.“, also ohne Befund vom Tierarzt beschrieben. In der Folge stellte sich jedoch heraus, dass das Pferd im Bereich der Narbe im Backenzahnbereich erhebliche Veränderungen in Form von offenliegenden Wurzeln nach einem offensichtlichen Trauma hatte. Im Schneidezahnbereich lag ein Zangenbiss vor, der vom Tierarzt auch nicht erwähnt worden war. Auch hier beauftragte das erstinstanzliche Gericht einen Sachverständigen. Dieser kam ebenfalls zu dem Ergebnis, dass die Veränderungen zum Zeitpunkt des Kaufes schon vorgelegen haben müssen. Die Narbe im Gesichtsbereich sprach nach Auffassung des Sachverständigen für eine stattgehabte Operation. Ob und inwieweit die Verkäuferin davon Kenntnis hatte, konnte nicht geklärt werden. Fest stand aber, dass das Pferd an einer alten Verletzung litt. Die Verkäuferin wurde entsprechend verurteilt, das Pferd zurückzunehmen. Wegen der Höhe der geltend gemachten Einstellt-, Hufschmiede- und Tierarztkosten schlossen die Parteien im Ergebnis einen Vergleich.
Beide Fälle zeigen, dass Auffälligkeiten an den Zähnen des Pferdes im Rahmen einer Kaufuntersuchung häufig nicht auffallen, weil der Untersuchungsumfang hier relativ gering ist. Wer also sichergehen möchte, dass das zu erwerbende Pferd keinerlei Zahnprobleme hat, sollte den Tierarzt zusätzlich beauftragen, die gesamte Maulhöhle einmal in Augenschein zu nehmen. Sind nämlich keine Veränderungen im Bereich der Schneidezähne zu erkennen, kann dem Tierarzt in der Regel keine Sorgfaltspflichtverletzung vorgeworfen werden.
Iris Müller-Klein, Fachanwältin für Medizinrecht