(Oldenburger International 02/2015)
Wurde der Embryotransfer zunächst in der Humanmedizin genutzt, so findet er immer mehr Eingang in die Tierzucht, wenn auch in Deutschland weniger Gebrauch davon gemacht wird als in anderen Teilen der Welt, insbesondere Nord – und Südamerika.
Im Gegensatz zur Humanmedizin dürfen in der Tierzucht Embryonen instrumentell auch in die Gebärmutter eines Muttertieres eingebracht werden, das die Eizelle nicht produziert hat. In der Humanmedizin ist dies grundsätzlich nicht zulässig. Hier wird der Embryotransfer vornehmlich nur genutzt, um eine Eizelle nach Befruchtung wieder der Frau zuzuführen, von der die Eizelle auch stammt. In der Pferdezucht soll durch Embryotransfer entweder die Möglichkeit eröffnet werden, möglichst viele Nachkommen einer erfolgreichen Stute mit bestimmten Eigenschaften, die man sich vermehrt in der Zucht wünscht, zu produzieren. Oder es steht im Vordergrund, dass man die Stute weiterhin nutzen möchte und die sportliche Nutzung nicht durch das Austragen eines Fohlens einschränken möchte. In der Vergangenheit konnten viele im Sport hoch erfolgreiche Stuten im Ergebnis nicht mehr erfolgreich in der Zucht eingesetzt werden, weil sie zu lange im Sport eingesetzt wurden und durch das zunehmende Alter die Fruchtbarkeit nachließ, so dass sie im Ergebnis kein Fohlen erfolgreich zur Welt brachten. Aus diesem Grunde soll der Embryotransfer auch bei älteren Stuten nur nach eingehender Überlegung eingesetzt werden, da die Erfolgschancen geringer sind als bei jüngeren Tieren.
1) Haftung des Tierarztes im Rahmen des Embryotransfers
Das Landgericht Lübeck hatte sich mit einer Rechtsstreitigkeit rund um den Embryotransfer auseinander zu setzen, in dem es genau um diese Problematik ging. Eine Pferdehalterin hatte eine ältere Stute, die gut aufnahm, den Embryo aber nicht austragen konnte. Sie hatte noch nie ein lebendes Fohlen zur Welt gebracht. Ebenfalls hatte sie eine jüngere Stute, die wiederum noch nie gedeckt worden war. Die Pferdehalterin wünschte sich ein Fohlen der älteren Stute. Sie suchte daraufhin eine Tierklinik auf, die sich auf das Gebiet des Embryotransfers spezialisiert hatte. Die Tierklinik hielt eigene Empfängerstuten, die Tierhalterin wünschte jedoch das Austragen des Fohlens durch die eigene jüngere Stute, die noch nie ein Fohlen bekommen hatte. Die Tierärzte rieten an, lieber eine Stute aus der Herde der Empfängerstuten zu wählen, da diese allesamt schon einmal erfolgreich im Rahmen des Embryotransfers ein Fohlen ausgetragen hatten. Die Pferdehalterin wollte jedoch unbedingt ihre eigene Stute nutzen, so dass die Tierärzte die beiden Stuten zunächst einmal im Hinblick auf die Ovulation synchronisierten. Als der Zyklus synchron war, wurde die Spenderstute belegt und nahm nach mehreren Versuchen auch tatsächlich auf. Daraufhin wurde ein Embryo gespült und in die Gebärmutter der Empfängerstute eingesetzt. Leider resorbierte die Empfängerstute in der Folge, so dass es nicht zum gewünschten Fohlen kam. Die Pferdehalterin war darüber so erbost, dass sie die Rechnung der Tierklinik nicht bezahlte. Daraufhin kam es dann zum Rechtsstreit.
Die Pferdehalterin wandte ein, der gesamte Embryotransfer sei nicht den Regeln der tiermedizinischen Kunst entsprechend sorgfaltsgemäß durchgeführt worden. Außerdem habe man sie auch nicht ausreichend aufgeklärt, sowohl über die Risiken als auch über die Sicherung des therapeutischen Erfolges. Das Landgericht hat daraufhin umfangreich Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Zusätzlich wurde der Sachverständige nach Anhörung von Zeugen angehört, wobei er die Aussage der Zeugen dahingehend auswerten sollte, ob die Tierärzte entsprechend der Regeln der tierärztlichen Kunst vorgegangen waren. Die Zeugen wurden angehört, um zu ermitteln, ob die Pferdehalterin hinreichend aufgeklärt wurde. Im Ergebnis dauerte das Verfahren mehr als drei Jahre, die Kosten der Beweisaufnahme überstiegen den Gegenstandswert der streitigen Rechnung um ein Vielfaches, so dass sich die Parteien darauf einigten, dass die Pferdehalterin die Hälfte der Rechnung bezahlt um nicht noch weitere unnötige Kosten zu produzieren.
Der Fall zeigt deutlich, dass der Embryotransfer eine Vielzahl rechtlicher Fragen aufwirft, die immer noch nicht so einfach in der Praxis zu beantworten sind. Gewonnen hat in diesem Rechtsstreit niemand, weil die Kosten des Rechtsstreites, insbesondere durch die umfangreichen Sachverständigengutachten, die ursprünglich geltend gemachte Rechnung um mehr als das Doppelte überstieg.
2) Wem gehört der Embryo
Da der Embryo durch die Empfängerstute ausgetragen wird, stellt sich die Frage, wer überhaupt Eigentümer des Embryos ist. Denn grundsätzlich besteht auch die Möglichkeit, einen Embryo einzufrieren und zu verkaufen. Die Eigentumsfrage keimt deshalb auf, weil der Gesetzgeber im Bürgerlichen Gesetzbuch klar geregelt hat, dass derjenige, der Eigentümer der Mutterstute ist auch automatisch Eigentümer der daraus gezogenen Frucht wird. Da diese Frucht nun von der Empfänger Stute ausgetragen wird und damit untrennbar mit ihr verbunden ist, passt diese Regelung nicht auf den Embryotransfer. Der historische Gesetzgeber konnte den Fall des Embryotransfer auch noch nicht regeln, da er weitgehend unbekannt war. Dabei ist zu berücksichtigen, dass auch schon vor über 100 Jahren Experimente mit Embryotransfer gemacht wurden, die auch erfolgreich verlaufen sein sollen. Speziell geregelt wurde der Fall im Bürgerlichen Gesetzbuch aber nicht, da der historische Gesetzgeber davon ausging, dass immer die Mutterstute ihren Abkömmling auch selber austrägt. Wächst der Embryo nun in der Empfängerstute heran, kann er von dieser vor der Geburt nicht getrennt werden. Fraglich ist, wer zu diesem Zeitpunkt Eigentümer des Embryos ist, wenn die Empfängerstute nicht im Eigentum des Eigentümers der Spenderstute steht. Da es sich um eine einheitliche Sache handelt, da eine Trennung eben vor der Geburt nicht möglich ist, wird in der Literatur vertreten, dass der Eigentümer der Empfängerstute bis zur Geburt auch Eigentümer des Embryos ist. Mit der Geburt erlangt der Pächter der Empfängerstute – denn dies ist die übliche Regelung beim Embryotransfer – Eigentum an dem Fohlen. Problematisch kann diese Eigentumslage werden, wenn die tragende Empfängerstute veräußert wird, gegebenenfalls auch gegen den Willen des Pächters. Hier ist dann fraglich, wer Eigentümer des Fohlens wird. Man wird im Einzelfall prüfen müssen, ob ein Abhandenkommen vorliegt, welches einen gutgläubigen Erwerb des Fohlens durch den Erwerber der Empfängerstute ausschließt oder nicht. Eine pauschale Antwort wird man hier nicht geben können, da jeder Fall individuell entschieden werden muss.
3) Welche Rolle spielt der Hengsthalter?
Interessant ist auch die Frage, welche Rolle der Hengsthalter beim Embryotransfer spielt. Üblicherweise stellt der Erwerb von Frischsamen eines Hengstes einen Kaufvertrag dar. Zahlt der Stutenhalter die Decktaxe, gibt es keine Probleme bei einer herkömmlichen Besamung. Viele Stationen haben inzwischen auch Regelungen dafür getroffen, wenn das Sperma für den Embryotransfer genutzt wird. Teils wird geregelt, dass mit Gewinnung eines Embryos die Decktaxe fällig wird, teils wird auch nur die halbe Decktaxe verlangt und die volle Decktaxe erst mit Geburt eines lebenden Fohlens. Hier gibt es unterschiedliche Regelungen. Wenn der Stutenhalter aber nicht angibt, dass er Embryotransfer durchführen möchte und so einen Kaufvertrag über Frischsperma abschließt, wobei der Hengsthalter zu diesem Zeitpunkt davon ausgeht, dass das Sperma zur Befruchtung einer Stute genutzt wird, um ein Fohlen pro Decksaison zu erhalten, wird die rechtliche Lage problematisch. Es stellt sich dann nämlich die Frage, ob der Stutenhalter auch das Sperma für den Embryotransfer käuflich erworben hat und so Eigentümer des Spermas geworden ist. Hier ist es durchaus vertretbar, dies zu verneinen, denn das Sperma wurde nur verkauft um ein einziges Fohlen damit zu zeugen, nicht mehrere Embryonen für den Embryotransfer. Geht man nicht von einem wirksamen Eigentumserwerb aus, so kann eine Bruchteilsgemeinschaft vorliegen, d.h. Hengst- und Stutenhalter werden Miteigentümer des so entstandenen Fohlens. Dies kann erneut zu erheblichen Streitigkeiten führen, da nicht automatisch beide zu gleichen Teilen Eigentümer werden, sondern die Anteile sich nach dem Verhältnis des Wertes bestimmen, den die Sachen zur Zeit der Verbindung haben, d.h. es muss der Wert abgewogen werden zwischen Eizelle und Samen. Hier kann man sich vorstellen, dass erhebliches Streitpotenzial vorhanden ist! Wer zahlt die für das Fohlen entstandenen Kosten, wenn der „Samenraub“ erst nach Jahren herauskommt? Zu welchen Teilen sind Stuten – und Hengsthalter Eigentümer geworden, wenn später ein Olympiateilnehmer geboren wird? Die vorstellbaren Rechtsstreitigkeiten kann man gar nicht alle aufzählen!
Iris Müller Klein, Fachanwältin für Medizinrecht