(Oldenburger International 08/2015)
Beim Thema Allergien bei Pferden denkt man sofort an chronische obstruktive Bronchitis und das Sommerekzem. Diese beiden Themenkomplexe beschäftigen die Gerichte immer wieder. Da sich die tiermedizinische Forschung parallel weiter entwickelt, wenn auch nicht in dem Ausmaß, wie die Juristen dies benötigen würden, ist die Rechtsprechung zum Thema Allergie immer differenzierter.
Sommerekzem
Beim Sommerekzem fällte die gesundheitliche Problematik in der Regel erst mehrere Wochen und Monate nach der Übergabe des Pferdes auf. Üblicherweise bestehen zum Zeitpunkt des Kaufes für den Käufer keinerlei Hinweise auf ein Sommerekzem, anderenfalls hätten hier umfassende Untersuchungen stattgefunden, denn auch Laien wissen um die Problematik der “Sommerräude”, zudem man die Folgen wie abgeschubbelte Mähne, abgescheuerter Schweif, offene Stellen am Bauch etc. gut erkennen kann.
Das Oberlandesgericht Celle hatte einen Fall zu entscheiden, in dem es auch um den Mangel des Sommerekzems ging. Es war zwischen den Parteien unstreitig, dass direkte Hinweise, für den Käufer erkennbar, zum Zeitpunkt der Übergabe nicht vorhanden waren. Auch hatte der Käufer keinerlei Kenntnis darüber, dass das Pferd in den Jahren zuvor am Sommerekzem erkrankt war. Da es sich um ein erst zweijähriges Pferd handelte, war das Pferd öffentlich nicht gezeigt worden. Fohlen erkranken üblicherweise nicht am Sommerekzem, es gab also für den Käufer keinerlei Hinweise darauf, dass vorher eine Erkrankung vorlag. Zwischen den Parteien war soweit unstreitig, dass zum Zeitpunkt des Kaufes keine optisch erkennbaren Mängel vorhanden waren, die Anzeichen für ein Sommerekzem gewesen wären.
Das Oberlandesgericht entschied, dass kein Anwendungsbereich für die zeitliche Vermutungsregelung des § 476 BGB besteht, wenn zwischen den Parteien unstreitig ist, dass zum Übergabezeitpunkt keine optischen Veränderungen bei dem Pferd erkennbar waren, die auf ein Sommerekzem hindeuteten. Die zeitliche Vermutungsregelung des § 476 BGB wird dann angewandt, wenn ein unternehmerischer Verkäufer an einen Verbraucher ein Pferd veräußert und sich innerhalb von sechs Monaten nach Übergabe des Pferdes ein Mangel zeigt. Ist dies der Fall, wird nach § 476 BGB vermutet, dass der Mangel bereits zum Zeitpunkt der Übergabe vorgelegen hat. Das Gegenteil muss im Streitfalle der Verkäufer des Pferdes beweisen.
Die Entscheidung des Oberlandesgerichtes ist äußerst fraglich, denn das Nichtvorhandensein optisch erkennbarer Mängel (der Verkauf hatte im Winter stattgefunden) ist beim Sommerekzem der Regelfall. Auch in dem vom Bundesgerichtshof bereits entschiedenen Fall zum Sommerekzem war es so, dass bei Übergabe keine optischen Hinweise auf das Vorliegen eines Sommerekzems bestanden. Dies dürfte bei einem Sommerekzem auch üblicherweise der Fall sein, denn anderenfalls würde der Verkäufer weitere Untersuchungen in Auftrag geben. In jedem Fall würde er das Pferd nicht anstandslos kaufen, wenn schon abgebrochene Haare an Mähne und Schweif etc. vorliegen.
Das Oberlandesgericht Celle prüfte dann als nächstes, ob die Allergiebereitschaft an sich schon einen Mangel darstellt. Es kam zu dem Ergebnis, dass die Sensibilisierung eines Pferdes für bestimmte Allergene an sich noch kein Mangel ist. Das Oberlandesgericht hatte hier umfassend den tiermedizinisches Sachverständigen befragt. Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass die körperliche Veranlagung eines Tieres, die sich in einem Folgestadium zu einem sichtbaren Mangel des Tieres entwickelt, nur dann als Mangel angesehen werden kann, wenn die Veranlagung mit Sicherheit oder aber mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Erkrankung führt. Der Sachverständige hatte davon berichtet, dass man heute davon ausgehen muss, dass es eine Vielzahl an Pferden gibt, bei denen eine Sensibilisierung, d.h. der Kontakt mit allergieauslösenden Stoffen nachgewiesen werden kann, besteht, die niemals im Leben ein Sommerekzem entwickeln. Diese Erkenntnis ist relativ neu. Früher war man davon ausgegangen, dass es nur eine Frage der Zeit ist, wann sich ein Sommerekzem entwickelt. Man war aber davon ausgegangen, dass es sich in jedem Fall entwickeln wird. Heute weiß man, dass dies nicht der Fall ist, d.h. die Sensibilisierung eines Pferdes auf z.B. Stechmücken nicht belegt, dass dieses Pferd jemals in seinem Leben am Sommerekzem erkranken wird.
Die Veranlagung im Sinne einer Disposition ist also nach der Rechtsprechung nur dann ein Mangel, wenn bereits zum Übergabezeitpunkt feststeht, dass diese Disposition zwingend zu einem Mangel führt. Sofern dies ungewiss oder vollkommen offen ist, ist nicht von einem Mangel auszugehen. Das Oberlandesgericht führte in seinem Urteil aus, dass ein Restrisiko für die spätere Entwicklung eines Tieres keinen vertragswidrigen Zustand darstellt, weil der Verkäufer eines Tieres nicht für den Fortbestand des bei Gefahrübergang vorhandenen Gesundheitszustandes haftet. Dieses Risiko werde alleine vom Käufer getragen.
Das Oberlandesgericht ging in seiner Entscheidung sogar soweit, dass es unterstellte, dass der Käufer dieses Risiko bewusst eingegangen sei, da er bei Übergabe keine weiteren Untersuchungen vorgenommen hatte, um zu prüfen, ob das Pferd am Sommerekzem leidet oder nicht. Dabei führte das Gericht auch aus, dass der Käufer schließlich eine für das Sommerekzem anfällige Rasse erworben habe, ein Tier erworben habe, welches noch sehr jung war und sich somit im Stadium der Sensibilisierung befinden konnte und der Käufer außerdem auch keinen Bluttest gemacht habe, um die Sensibilisierung des Pferdes zu überprüfen.
Die Entscheidung ist diesbezüglich als äußerst fraglich zu betrachten, denn die meisten gesundheitlichen Mängel sind für den Käufer im Zeitpunkt der Übergabe nicht erkennbar. Das Gericht hat hier unberücksichtigt gelassen, dass es grundsätzlich Hauptleistungspflicht des Verkäufers ist, eine sachmangelfreie Kaufsache zu liefern. Unter Berücksichtigung der oben zitierten Rechtsprechung müsste der Käufer quasi auf alle erdenklichen Erkrankungen hin Überprüfungen vornehmen, anderenfalls müsste davon auszugehen sein, dass er das Risiko der Erkrankung bewusst in Kauf genommen hat. Dies ist so sicherlich nicht richtig. Das Urteil ist aber rechtskräftig geworden, so dass es dem Käufer des Pferdes leider nicht weitergeholfen hat, dass die Entscheidung möglicherweise falsch war.
Die Entscheidung zeigt generell, dass die Rechtsprechung im Hinblick auf die Mangelhaftigkeit eines Pferdes zum Zeitpunkt des Gefahrüberganges bei Dispositionen für bestimmte Erkrankungen sehr zurückhaltend ist. Dies kann auch ohne weiteres auf röntgenologische Befunde erweitert werden. Selbst bei der Röntgenklasse IV nach dem Röntgenleitfaden 2007 wird von der Röntgenkommission nur eine Wahrscheinlichkeit von 50 % angegeben, dass im Laufe des Lebens des Pferdes klinische Symptome entstehen. Dies bedeutet im Umkehrschluss immerhin, dass die Hälfte aller Pferde mit Röntgenklasse IV ein Leben lang lahmfrei bleiben, zumindest nicht wegen der festgestellten röntgenologischen Befunde klinische Symptome entwickeln werden. Hier ist die Rechtsprechung uneinheitlich, was vornehmlich auch daran liegt, dass es hier Fehlrechtsprechung gibt, die inzwischen überholt ist – aber trotzdem in den Datenbanken gut auffindbar ist und von den Gerichten gerne zitiert wird. Zieht man die deutliche Rechtsprechung zur Disposition eines Pferdes im Sinne einer Allergiebereitschaft hinzu, die inzwischen der herrschenden Meinung in der Rechtsprechung entspricht, so kann der Röntgenbefund an sich, selbst wenn er in die Röntgenklasse IV eingeordnet werden muss, keinen Mangel begründen. Denn auch hier ist nicht sicher oder aber mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass eine Lahmheit entsteht.
Chronisch obstruktive Bronchitis
Auch die chronische obstruktive Bronchitis beschäftigt die Gerichte zunehmend. Problematisch ist hier schon die Frage, ob überhaupt ein erheblicher Mangel vorliegt. Der Gesetzgeber fordert nämlich grundsätzlich, dass nicht nur eine Abweichung von der üblichen Beschaffenheit vorliegen muss, diese muss auch von Erheblichkeit sein. Da die tiermedizinischen Studien inzwischen davon ausgehen, dass die überwiegende Zahl der älteren Pferde (ab ca. zwölf Jahren) an einer mehr oder minder stark ausgeprägten chronischen obstruktiven Bronchitis leiden, muss das Gericht durch einen tiermedizinischen Sachverständigen häufig erst einmal ermitteln, ob hier überhaupt Mangelcharakter vorliegt. Denn die Rechtsprechung hat schon häufig entschieden – immer unter Beratung eines tiermedizinischen Sachverständigen – dass das Pferd trotz des Vorliegens der Erkrankung für die beabsichtigte Verwendung geeignet ist. Dies ist gerade bei Freizeitpferden häufig der Fall, da eine leichte chronisch obstruktive Bronchitis die Verwendung des Pferdes nicht entscheidend beeinflusst.
Die Frage, wann ein Mangel überhaupt erheblich ist, stellt sich auch bei Verhaltensauffälligkeiten wie dem Koppen und Weben. Auch hier sind die Pferde üblicherweise normal einsetzbar, d.h. sowohl im gehobenen Turniersport als auch als Freizeitpferde. Immer wieder ist daher konkret im Einzelfall zu entscheiden, ob ein festgestellter Mangel nach Übergabe überhaupt als erheblich angesehen werden muss. Derzeit entscheidet beispielsweise das Landgericht Karlsruhe, ob eine nach Übergabe aufgetretene Rippenfraktur, die folgenlos nach Auffassung des tiermedizinischen Sachverständigen ausgeheilt ist, überhaupt einen erheblichen Mangel des Pferdes darstellt. Der Sachverständige hat ausgeführt, dass Rippenfrakturen häufig folgenlos ausheilen, so auch in dem konkreten Fall. Eine Wertminderung sah er damit auch nicht verbunden, da im Bereich der Rippen keine Arthrose entstehen kann. In derartigen Fällen kommt es häufig gar nicht auf die Frage an, ob der Mangel überhaupt zum Zeitpunkt der Übergabe vorhanden war. Ist er nämlich nicht erheblich, sind Gewährleistungsansprüche des Käufers ausgeschlossen.
Iris Müller-Klein, Fachanwältin für Medizinrecht