(Quarter Horse Journal 11/2013)
Unfälle mit dem Pferd beschäftigen immer wieder die Rechtsprechung. Viele Pferdehalter haben in der heutigen Zeit eine Reitbeteiligung, die mehr oder minder regelmäßig das Pferd mit bewegt. Die Reitbeteiligung kann unterschiedlich ausgestaltet sein, dementsprechend unterschiedlich ist auch die Haftung des Pferdehalters, wenn die Reitbeteiligung zu Schaden kommt.
Einen typischen Fall hatte im Jahr 2011 das Oberlandesgericht in Nürnberg zu entscheiden. Die Reitbeteiligung, welche das Pferd mehrfach pro Woche gegen eine Kostenerstattung von 35 € im Monat reiten konnte, war durch das Pferd verletzt worden, wobei zwischen den Parteien streitig war, wie es überhaupt zu dem Unfall gekommen ist. Fest stand, dass die Reitbeteiligung das Pferd an festen Wochentagen nutzte und diese Nutzung nach eigenem Gutdünken erfolgte, d.h., die Reitbeteiligung entschied selber, ob sie mit dem Tier ins Gelände geht, es auf dem Platz, der Reithalle oder im Reitunterricht ritt. Das Oberlandesgericht in Nürnberg kam zu dem Ergebnis, dass die Reitbeteiligung aufgrund dieser Konstellation über das Pferd wie eine Tierhalterin selber unumschränkt verfügte. In einem solchen Fall, zudem hier ein geringes Entgelt von monatlich nur 35 € gezahlt wurde, sei davon auszugehen, dass die beteiligten Personen untereinander davon ausgehen, dass der Tierhalter im Falle von Schäden durch das Tier nicht haften soll. Das Gericht führte aus, dass derjenige, der die Reitbeteiligung inne hat, sich in der Zeit in der er das Pferd nutzt und über das Tier verfügt, wie ein Tierhalter auf Zeit fühlen soll und dementsprechend auch das Risiko von Schäden durch das Tier selber trägt. Das Oberlandesgericht ging davon aus, dass es sich nicht um eine geschäftlich geprägte Beziehung handelt, sondern der Tierhalter und die Reitbeteiligung durch die Liebe zu den Pferden und das Hobby des Pferdesportes miteinander verbunden waren. Eine Haftung der Tierhalterin wurde daher als stillschweigend vertraglich ausgeschlossen angesehen. Die Reitbeteiligung erhielt daher kein Schmerzensgeld für die durch das Pferd erlittene Verletzung.
Dabei ist anzumerken, dass ein jeder Fall isoliert betrachtet und bewertet werden muss. Grundsätzlich ist es so, dass nicht generell von einem konkludenten Haftungsausschluss zwischen Tierhalter und Reitbeteiligung auszugehen ist. Das Oberlandesgericht Frankfurt entschied beispielsweise im Jahr 2009 vollkommen anders. Die zum Schadenzeitpunkt 12-jährige Reitbeteiligung ritt mit dem Reitbeteiligungspferd aus. Dabei trug die Reitbeteiligung einen Helm und sogar eine Sicherheitsweste. Auf dem unbefestigten Feldweg näherte sich in etwa 50 m Entfernung ein Traktor. Da die Reitbeteiligung noch minderjährig war, ließ die Tierhalterin die Reitbeteiligung nicht alleine ausreiten, sondern begleitete sie regelmäßig mit einem anderen Pferd. So war sie auch am Unfalltag mit ihrem Pferd in unmittelbarer Nähe. Beide Pferde scheuten vor dem Traktor und galoppierten auf dem Feldweg los. Die Tierhalterin selber bekam ihr Pferd wieder unter Kontrolle, das Pferd der Reitbeteiligung kam zu Fall und stürzte mit seinem gesamten Gewicht auf die Reitbeteiligung. Wegen des erheblichen Schadens, den die Reitbeteiligung bei dem Sturz erlitten hat, verlangte sie vor dem Oberlandesgericht Frankfurt ein angemessenes Schmerzensgeld und Schadensersatz. Zur Begründung führte das Oberlandgericht Frankfurt aus, dass die Reitbeteiligung nicht Tierhalterin des schadenursächlichen Pferdes geworden ist, die Stellung als Tierhalterin hatte nachwievor die Eigentümerin des Pferdes, die beim Unfall auch anwesend war. Das Oberlandesgericht begründete dies damit, dass allein der Tierhalterin die Bestimmungsmacht über das Tier zustand und die Tierhalterin auch im eigenen Interesse tätig war. Das Bestimmungsrecht über das Pferd lag zum Schadenzeitpunkt alleine bei der Tierhalterin, nicht bei der Reitbeteiligung. Daran ändert sich durch die Tatsache, dass die Reitbeteiligung monatlich 70 € für die Nutzung des Pferdes zahlte, nichts. Das Gericht erhob dann im konkreten Fall weiter darüber Beweis, ob sich eine spezifische Tiergefahr beim Unfall verwirklicht hatte und ob die Reitbeteiligung ein etwaiges Mitverschulden traf. Dabei war zu berücksichtigen, dass das Mädchen erst 12 Jahre alt war und daher nicht der Sorgfaltsmaßstab wie für einen Erwachsenen herangezogen werden konnte. Es wurde lediglich ermittelt, was von einem Kind in einem vergleichbaren Alter mit vergleichbarer Reiterfahrung durchschnittlich erwartetet werden konnte. Hier kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass schon aufgrund der körperlichen Statur die Reitbeteiligung nicht in der Lage war, das Pferd am Durchgehen zu hintern, ein Mitverschulden war daher nicht zu berücksichtigen. Die Tierhalterin war daher verpflichtet, der Reitbeteiligung den gesamten ihr entstandenen Schaden zu ersetzen.
Ob der Tierhalter also gegenüber der Reitbeteiligung haftbar ist oder nicht, muss immer konkret entschieden werden. Maßgeblich ist, ob die Reitbeteiligung wie ein Tierhalter über das Pferd verfügen und bestimmen darf. Der Bundesgerichtshof hat in diesem Zusammenhang in einem anderen Fall einmal ausdrücklich klargestellt, dass generell nicht von einem Haftungsausschluss zwischen Reitbeteiligung und Tierhalter auszugehen ist, schon gar nicht, wenn der Tierhalter eine Tierhalterhaftpflichtversicherung unterhält, denn dann besteht gar kein Interesse an einem Haftungsausschluss, da im Schadenfall ja die Versicherung eintrittspflichtig ist. Demzufolge muss also von Fall zu Fall entschieden werden. In jedem Fall sollte ein jeder Tierhalter – ganz unabhängig davon, ob er eine Reitbeteiligung hat oder nicht – eine Tierhalterhaftung für das Pferd unterhalten. Da der Beitragssatz bei einigen Versicherungen höher ist, sollte die Versicherung unbedingt in Kenntnis gesetzt werden, denn es gibt auch Versicherungen, die eine Haftung gegenüber der Reitbeteiligung generell ausschließen. Dies muss unbedingt vor Aufnahme der Reitbeteiligung geklärt werden, damit die Haftung im Schadenfall nicht noch dadurch getrübt wird, dass die Tierhalterhaftpflichtversicherung nicht eintrittspflichtig ist.
Iris Müller-Klein, Fachanwältin für Medizinrecht