(Oldenburger International 08/2015)
Seit der Schuldrechtsreform sind nunmehr 13 Jahre vergangen. Dies bedeutet aber nicht, dass alle rechtlichen Probleme rund um den Pferdekauf inzwischen entschieden wären. Ganz im Gegenteil wartet der Bundesgerichtshof immer wieder mit erstaunlichen Entscheidungen auf. So musste sich der Bundesgerichtshof im März diesen Jahres noch einmal mit dem Lieblingsmangel aller kaufreuigen beschäftigen, dem Engstand der Dornfortsätze im Sinne von Kissing Spines. Im Vordergrund stand hier aber weniger der vermeintliche Mangel. Es ging vielmehr darum, ob die Käuferin des Pferdes dem Verkäufer eine Frist zur Nacherfüllung gesetzt hatte, wie es das Gesetz fordert, bevor wirksam der Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt werden kann. Nachdem sie das Pferd nämlich über ein Jahr nach dem Kauf genutzt hatte, meldete sie sich bei dem Verkäufer und teilte mit, das Pferd leide am unheilbaren Mangel des Engstandes der Dornfortsätze. Der genaue Inhalt des Gespräches ist zwischen den Parteien streitig. Die Käuferin des Pferdes hat aber behauptet, ihr Lebensgefährte habe zum Verkäufer gesagt, entweder er tausche das Pferd aus, oder man gehe rechtlich gegen ihn vor. Diese Erklärung ließ das vormals zuständige Gericht nicht ausreichen und entschied, dass es auf die Frage des Vorliegens eines Mangels bei dem Pferd gar nicht mehr ankomme. Denn auch beim Tierkauf seit vor der Rücktrittserklärung immer eine Fristsetzung zur Nachbesserung oder zur Nachlieferung erforderlich. Ausnahmen seien nur unter besonderen Umständen zuzulassen, dazu habe die Klägerin aber nichts vorgetragen. Insbesondere sei nicht erkennbar, dass die Lieferung eines anderen gesunden Pferdes wegen einer bereits entstandenen Bindung an das erworbene Tier nicht mehr in Betracht komme. Ganz im Gegenteil ergebe sich aus ihren Ausführungen, dass ihre Kaufentscheidung schwerpunktmäßig auf objektiven Gesichtspunkten beruhe, nämlich die Eignung des Pferdes für die von der Klägerin ausgeübte Turnierrichtung. Gerade in einem solchen Fall, in dem für die Kaufentscheidung objektive Qualitätsanforderungen ausschlaggebend gewesen seien, komme eine Ersatzlieferung auch beim Pferdekauf grundsätzlich in Betracht. Dass eine Nacherfüllung für den Verkäufer durch Lieferung eines Ersatzpferdes nicht möglich gewesen sei, habe die Klägerin selber nicht vorgetragen. Der Bundesgerichtshof setzte nun seine äußerst käuferfreundliche Rechtsprechung fort und entschied, dass es für eine Fristsetzung ausreichend ist, wenn der Käufer des Pferdes das Verlangen nach sofortiger, unverzüglicher oder umgehender Leistung des Verkäufers durch eine Formulierung deutlich macht, die erkennen lässt, dass dem Verkäufer nur ein begrenzter Zeitraum zur Verfügung steht. Dabei muss der Käufer des Pferdes nicht angeben, innerhalb welches bestimmten und bestimmbaren Zeitraums oder bis zu welchem Endtermin er die Erfüllung entgegennimmt, also bis wann er die Heilbehandlung bzw. Lieferung eines vergleichbaren Pferdes erwartet. Im konkreten Fall sah es der Bundesgerichtshof als vollkommen ausreichend, dass die Käuferin verlangte, das Pferd auszutauschen, verbunden mit der die Ernsthaftigkeit dieser Erklärung verdeutlichenden Warnung, anderenfalls rechtliche Schritte zu ergreifen. Hier sei für jeden Pferdeverkäufer unmissverständlich erkennbar, dass Abhilfe nur durch Übergabe eines gesunden Pferdes geschaffen werden könne. Damit hat der Bundesgerichtshof also die Grenzen, die zu Beginn der Schuldrechtsreform von den Gerichten recht eng gesehen wurden, aufgelockert. Es müssen nicht rigoros Fristen, die nach dem Kalender bestimmbar sind, vom Käufer eines Pferdes gesetzt werden. Es muss vom Käufer noch nicht mal ein bestimmter Zeitraum oder ein bestimmter Endtermin genannt werden, binnen dessen er die Erfüllung durch den Verkäufer erwartet, also die Vornahme der Heilbehandlungsmaßnahme oder Lieferung eines gesunden Pferdes. Jeder Verkäufer muss jetzt zusehen, dass er möglichst schnell handelt, anderenfalls läuft er Gefahr, dass der Käufer durch eine entsprechende Aussage die Voraussetzungen geschaffen hat, wirksam vom Kaufvertrag zurückzutreten, bevor der Verkäufer die Möglichkeit wahrgenommen hat, die Mangelüberprüfung vorzunehmen oder gar den Mangel zu beheben. Dabei wird das Erfordernis der Fristsetzung jedoch nicht vollständig außer Kraft gesetzt, sondern nur äußerst käuferfreundlich ausgelegt. Grundsätzlich hat natürlich auch der Verkäufer eines Pferdes das Recht, sich selber ein Bild vom gerügten Mangel zu machen und das Pferd beispielsweise abzuholen, um es dann in einer Tierklinik vorzustellen. Sofern der Käufer dann eine viel zu kurze Frist gesetzt hat, innerhalb derer es für den Verkäufer nicht möglich war, das Pferd abzuholen, in der Tierklinik vorzustellen und gleichzeitig noch eine Heilbehandlungsmaßnahme einzuleiten, so hat der Gesetzgeber hier Vorkehrungsmaßnahmen getroffen. Eine zu kurze Frist setzt immer eine angemessene Frist in Gang, d.h. wenn der Käufer des Pferdes dem Verkäufer eine zu kurze Frist zur Mangelbeseitigung gesetzt hat oder eine entsprechende Äußerung getätigt hat, dass er ein umgehendes Handeln des Verkäufers erwartet, geht der Gesetzgeber davon aus, dass dem Verkäufer hier eine angemessene Frist, die nach den Umständen des Einzelfalles zu ermitteln ist, zusteht. Setzt sich der Käufer darüber hinweg und erklärt dann sofort den Rücktritt vom Kaufvertrag, ohne abzuwarten, was die Mangelüberprüfung oder Mangelbeseitigung des Verkäufers für ihn erbracht hat, so scheitert sein Rücktrittsbegehren daran, dass auch in einem solchen Falle das Nacherfüllungsverlangen nicht wirksam vom Käufer an den Verkäufer herangetragen wurde und so der erklärte Rücktritt vom Kaufvertrag unwirksam ist.
Die neuste Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die sich seit einigen Jahren abgezeichnet hat, zeigt nur zu deutlich, dass es in Prozessen oft gar nicht auf den Mangel selber ankommt, sondern auf viele Formalien, die von Käufer und Verkäufer eingehalten werden müssen. Dies zeigt der vorliegende Fall deutlich. Der Kauf des Pferdes hat im Jahr 2011 stattgefunden, nach nunmehr 4 Jahren hat noch kein Tierarzt das Pferd gesehen um zu klären, ob überhaupt eine Mangelhaftigkeit des Tieres gegeben ist oder nicht. Ganz im Gegenteil findet nun ein neuer Termin zur mündlichen Verhandlung statt, in dem geklärt wird, was bei dem Gespräch über ein Jahr nach Übergabe des Pferdes nun konkret gesagt worden ist, ob es das Gespräch so überhaupt gegeben hat und wenn ja, ob die Erklärung von Seiten der Käuferin ausreichend war, um als Nacherfüllungsverlangen gewertet zu werden. Erst wenn dies vom Oberlandesgericht bejaht wird, wird auf die Frage der Mangelhaftigkeit des Pferdes zum Zeitpunkt der Übergabe eingegangen werden. Erst dann wird das Oberlandesgericht einen tiermedizinischen Sachverständigen benennen, der immerhin vier bis fünf Jahre nach dem Übergabezeitpunkt beurteilen soll, ob ein über ein Jahr nach dem Kauf aufgetretener Engstand der Dornfortsätze bereits zum Zeitpunkt der Übergabe vorgelegen hat und ob bereits zu diesem Zeitpunkt zwingend eine mangelnde Eignung des Pferdes für den Reitsport gegeben war. Welche praktischen Probleme hier auftreten, kann man sich sicherlich denken! Der Prozess ist also mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofes noch lange nicht beendet und wird möglicherweise noch weitere Rechtsgeschichte schreiben. Denn das Gericht wird sich weiter mit der Frage zu befassen haben, ob beim Pferdekauf grundsätzlich die Nachlieferung durch ein anderes vergleichbares Pferd mit ähnlichen Eigenschaften möglich ist oder nicht. Bisher gibt es hierzu nämlich keine Entscheidung des Bundesgerichtshofes. Inzwischen haben mehrere Obergerichte diese Frage bejaht, im Ergebnis wird aber entscheidend sein, wie der Bundesgerichtshof diese Frage beantworten wird.
Iris Müller-Klein, Fachanwältin für Medizinrecht