Haut und Haare beim Pferd: Der Sommer kommt, die Pferde verlieren ihr Winterfell. Mit dem guten Wetter einher geht auch eine zunehmende Zahl an unliebsamen Insekten, die Mensch und Tier ärgern. Sobald es warm wird ist die Zeit des Sommerekzems. Dieses beschäftigt die Gerichte im Hinblick auf Hautkrankheiten sicherlich am häufigsten und ist immer wieder Anlass für Auseinandersetzungen.
Sommerekzem
Es gibt inzwischen Untersuchungen, wonach immerhin 41 % der Pferde nach Angabe der Besitzer bereits zum Zeitpunkt Symptome des Sommerekzems zeigten, die vom Käufer aber nicht als solche erkannt wurden. Bei 32 % dieser Pferde war zum Zeitpunkt des Kaufes Juckreiz vorhanden, 30 % wiesen bereits haarlose Stellen im Haarkleid auf. Pferde, die zum Zeitpunkt des Kaufes bereits eine große Zahl an haarlosen Stellen im Fell aufwiesen, erkrankten später deutlich stärker am Sommerekzem als Pferde, die beim Kauf keine oder lediglich wenige haarlose Stellen zeigten. Die Pferde, die beim Kauf bereits mit starkem Juckreiz aufgefallen waren, entwickelten später einen signifikant schwereren Krankheitsverlauf als die Pferde, die keinen oder nur leichten Juckreiz hatten. Bei 25 % der Pferde wurde eine tierärztliche Kaufuntersuchung durchgeführt, wobei nur bei 4 % dieser Pferde ein Hautbefund durch den Tierarzt im Untersuchungsprotokoll dokumentiert wurde. Bei 28 % der Pferde war sogar den Vorbesitzern schon ein Hauptproblem aufgefallen. Dies zeigt, dass das Sommerekzem nicht unbedingt völlig unvorhergesehen nach dem Kauf auftritt, es wird nur häufig nicht als Sommerekzem erkannt, auch entwickelt sich die Problematik häufig erst. Sie ist selten von heute auf morgen vorhanden.
Wird ein Pferd von einem privaten Käufer erworben, muss der Vollbeweis geführt werden, dass ein Sommerekzem bereits zum Zeitpunkt der Übergabe vorhanden war. Der Beweis wird durch das Vorliegen der klinischen Symptome und gleichzeitig einem so genannten positiven FIT Test (funktioneller in vitro – Test) geführt. Bei dem FIT Test wird anhand einer Blutprobe geprüft, welche Allergene von den an den basophilen Granulozyten gebundenen Antikörpern in ausreichendem Maße gebunden werden, um eine allergische Reaktion auszulösen. Ein positiver Test zeigt jedoch lediglich eine Sensibilisierung an; das betreffende Tier muss nicht zwingend an Sommerekzem erkrankt sein oder zukünftig erkranken. Aus diesem Grund ist es immer zwingend geboten, auch das klinische Bild miteinzubeziehen, nur ein positiver FIT Test ist kein Nachweis für das Bestehen eines Sommerekzems.
In der Praxis ist der Nachweis schwer zu führen. Wenn man die oben genannten Zahlen ansieht, fallen immerhin nur 4 % der Pferde, bei denen schon eine tierärztliche Kaufuntersuchung durchgeführt wurde im Rahmen der Kaufuntersuchung mit Hautproblemen auf. Wenn also schon einem Tierarzt nicht auffällt, dass das Pferd am Sommerekzem erkrankt war, fällt es dem tiermedizinischen Laien in der Regel noch viel später auf. Demzufolge ist der Nachweis äußerst schwer in der Praxis zu führen, wenn der Vollbeweis beim Käufer liegt.
Anders hingegen ist die Situation beim so genannten Verbrauchsgüterkauf zu beurteilen. Im Anschluss an die Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofes hat der Bundesgerichtshof mit einem Urteil aus Oktober 2016 klargestellt, dass die Beweislastumkehrregelung dahingehend auszulegen ist, dass dem Käufer die dort geregelte Vermutungswirkung auch dahingehend zugutekommt, dass der binnen sechs Monaten nach Gefahrübergang zu Tage getretene mangelhafte Zustand zumindest im Ansatz schon bei Gefahrübergang vorgelegen hat. Damit greift die zeitliche Vermutungsregelung schon dann ein, wenn dem Käufer der Nachweis gelingt, dass sich innerhalb von sechs Monaten ab Gefahrübergang ein mangelhafter Zustand gezeigt hat. Ein mangelhafter Zustand ist nicht identisch mit dem Mangel selber. Ein mangelhafter Zustand läge beim Sommerekzem beispielsweise darin, dass sich das Pferd massiv scheuert und dadurch Scheuerstellen in Mähne und Schweif zu Tage treten oder gar kahle Hautstellen. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofes muss der Käufer weder darlegen noch beweisen, auf welche Ursache dieser Zustand zurückzuführen ist, noch dass er in den Verantwortungsbereich des Verkäufers fällt. Der Bundesgerichtshof hat hierzu ausdrücklich ausgeführt, dass bei Auftreten eines akuten mangelhaften Zustandes vermutet wird, dass dieser in einem früheren Entwicklungsstadium schon bei Gefahrübergang vorgelegen hat. Jeder, der sich mit Tieren beschäftigt fragt sich nun, wie der Verkäufer bei strenger Auslegung den Gegenbeweis führen soll, nämlich das der mangelhafte Zustand bei Gefahrübergang nicht vorlag. Insbesondere stellt sich hier folgendes Problem:
Unterstellt man einmal, ein Pferd scheuert sich drei Monate nach Übergabe. Es treten kahle Hautstellen auf, die Mähne wird nahezu abgescheuert. Neun Monate später tritt ein Sommerekzem auf, d.h. das klinische Erscheinungsbild liegt vor und zusätzlich ein positiver FIT Test. Für das Scheuern drei Monate nach Übergabe gibt es eine Vielzahl an Gründen, das Pferd kann sich beispielsweise auch akut Haarlinge zugezogen haben. Greift in diesem Fall auch die Vermutungsregelung nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes?
Damit beschäftigen sich im Moment mehrere Oberlandesgerichte, eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes hierzu liegt noch nicht vor. Das Oberlandesgericht Hamm ist der Auffassung, dass ein irgendwie gearteter vertragswidriger Zustand, der sich innerhalb von sechs Monaten zeigt die Vermutungsregelung auslöst, wenn sich erst Monate nach Ablauf der Sechsmonatsfrist tatsächlich ein Mangel zeigt. Das Oberlandesgericht Hamm geht davon aus, dass der Verkäufer dafür beweispflichtig ist, dass der später gezeigte Mangel und der vertragswidrige Zustand, der sich innerhalb des sechsmonatigen Zeitraumes gezeigt hat, nicht aufeinander beruhen oder im Zusammenhang stehen. Dies bedeutet konkret, dass das Oberlandesgericht Hamm auch dann eine Beweislastumkehr annimmt, wenn vier Monate nach dem Kauf eine positive Beugeprobe vorliegt, jedoch innerhalb der sechs Monate keine Lahmheit. Tritt die Lahmheit dann nach neun Monaten auf, vermutet das Oberlandesgericht Hamm, dass die damals gezeigte positive Beugeprobe ein vertragswidriger Zustand ist, der dazu führt, dass § 477 BGB angewendet wird. Zugunsten des Käufers wird vermutet, dass der neun Monate nach dem Kauf (erst) festgestellte Mangel schon zum Zeitpunkt der Übergabe vorgelegen hat, da sich ein vertragswidriger Zustand innerhalb der sechsmonatigen Frist gezeigt hat. Dass dies völlig lebensfremd ist und im Grunde dazu führt, dass ein unternehmerisch tätiger Verkäufer seiner Haftung nicht mehr entgehen kann, sehen wiederum andere Oberlandesgerichte, wie z.B. das Oberlandesgericht Schleswig. Dies lehnt die Anwendung der Beweislastumkehr ab, wenn nicht feststeht, dass der innerhalb von sechs Monaten aufgetretene vertragswidrige Zustand im direkten Zusammenhang mit dem über sechs Monate nach dem Kauf aufgetretenen Mangel steht. Diese Auffassung ist wesentlich realistischer, denn anderenfalls käme man zu einer Garantiehaftung des unternehmerisch tätigen Verkäufers für jedweden nach Übergabe auftretenden Mangel innerhalb der Gewährleistungsfrist.
Wie ein derartiger Fall beim Sommerekzem im Rahmen eines Verbrauchsgüterkaufes zu bewerten sein wird, dürfte dementsprechend davon abhängen, welches Oberlandesgericht zuständig ist. Insofern herrscht also wieder in erheblichem Umfange Rechtsunsicherheit.
HERDA etc.
Die Hauterkrankung HERDA (Hereditary Equine Regional Dermal Asthenia = Erblich Regional Begrenzte Hautschwäche) wurde erstmals 1978 bei Quarter Horses beobachtet. HERDA führt bei Doppel-Genträgern zu einer extrem empfindlichen und leicht verletzbaren Haut, meist entlang der Rückenlinie der betroffenen Pferde, weshalb die Erkrankung oft erst beim Anreiten, wenn der Sattel auf den Rücken kommt, erkannt wird. Nur selten wird die Erkrankung beim Fohlen entdeckt. .
Eine Heilung gibt es nicht, betroffene Pferde sind unreitbar und werden in der Regel meist euthanasiert. Die Erkrankung ist rezessiv, das heißt Einzelgenträger für HERDA sind gesund. Das Entstehen kranker Pferde, also von Doppelgenträgern, lässt sich nur verhindern, wenn Einzelgenträger für HERDA nicht miteinander gekreuzt werden. In diesem Fall sind die Fohlen zu 25% krank, zu 25% gesund und zu 50% wieder symptomlose Träger. Tritt eine derartige Erkrankung innerhalb der Gewährleistungsfrist auf, egal ob Verbrauchsgüterkauf, oder Kauf von privat, liegt ein Mangel bei Übergabe vor, denn es steht fest, dass die Erkrankung im Keim aufgrund der genetischen Komponente angelegt war. Ob ohne Erkrankung bei Nachweis des Gens ein Mangel vorliegt, ist fraglich. Ohne besondere Vereinbarung diesbezüglich ist der Mangeltatbestand abzulehnen.
Bisher waren derartige Erkrankungen ein Problem von Spezialrassen, wie beispielsweise Quartern. Inzwischen treten derartige Erkrankungen aber auch bei Warmblüter und Ponys auf. Bei Warmblütern und deren Kreuzungsprodukten zeigt sich vermehrt WFFS (=Warmblut- Fragiles-Fohlen-Syndrom). Ursache ist eine im Jahr 2012 erstmalig nachgewiesene Mutation auf dem Gen lysil hydroxylase, das für die Zugfestigkeit und Stabilität von Collagenfasern zuständig ist. Die erkrankten Fohlen zeigen eine extreme Brüchigkeit der Haut mit geringer Hautdicke. Es entstehen schnell Wunden, besonders an den Gelenken.
Da die Erkrankung immer häufiger auftritt, bietet es sich an, standardmäßig Gentests für Deckhengste zu machen, wie es bei anderen Rassen inzwischen Usus ist. Auch sollte man seine Stute unbedingt testen, damit es nicht zu einer Doppelgenträgerschaft kommt. Geht ein Hengst in die Besamung, der Genträger ist, kann eine Haftung des Hengsthalters durchaus in Betracht kommen, wenn ein erkranktes Fohlen geboren wird. Um besonders sicher zu gehen, sollte man darüber nachdenken, die eigene Stute zu untersuchen und keinen Hengst zu wählen, von dem nicht ein entsprechender Gentest vorliegt.
Iris Müller-Klein, Fachanwältin für Medizinrecht