(Oldenburger International 12/2013)
Grundsätzlich ist die Geburt eines Fohlens eine große Freude, leider kommt es aber auch hier zu ungewollten Zwischenfällen. Nicht ganz selten ist die Geburt auch vollkommen unvorhergesehen für den Eigentümer der Stute, insbesondere wenn die Stute gerade erst erworben wurde.
1) ungewollte Fohlengeburt
Es kommt immer wieder vor, dass eine Stute als Reitpferd erworben wird. Dass die Stute gedeckt wurde, wird vom Verkäufer entweder nicht mitgeteilt, oder er weiß es schlicht und ergreifend nicht. Die Gerichte müssen dann klären, welche Ansprüche dem ungewollten Züchter gegen den Verkäufer des Pferdes zustehen.
Zunächst ist festzuhalten, dass der Eigentümer der Stute immer Eigentümer des Fohlens wird. Welche Ansprüche bestehen aber gegen den Verkäufer des Pferdes, der die Trächtigkeit der Stute nicht angesagt hat? Der Käufer ist nämlich häufig verärgert, dass er das erworbene Reittier nicht nutzen kann, da ein sportlicher Einsatz einer tragenden Stute häufig nicht gewollt und möglich ist, kostet die Stute jeden Monat Geld im teuren Pensionsstall, ohne dass sie geritten werden kann, wofür sie ja eigentlich erworben wurde. Dementsprechend möchte der Käufer einer tragenden Stute häufig die Unterstellkosten während der Zeit, in der sie wegen der Trächtigkeit nicht genutzt werden kann, geltend machen. Nach ständiger Rechtsprechung ist dies aber kein ersatzfähiger Schaden, denn die Stute ist als reines Luxustier im Gegensatz zu einem Pkw, den man nicht mehr nutzen kann, nicht notwendiger Bestandteil des Alltages. Einen Nutzungsausfallschaden gibt es daher nicht. Die Zeit, in der die Stute nicht genutzt werden kann, bleibt unvergütet, in Einzelfällen kann sich ein Schaden nur daraus ergeben, dass der Käufer der Stute ein anderes Pferd als Ersatz anmietet. Diese Kosten könnten ein ersatzfähiger Schaden sein, dies ist im Einzelfall zu beurteilen. In jedem Fall können die Tierarztkosten, die im Rahmen der Trächtigkeit entstehen, dem Verkäufer entgegengehalten werden und als Schadenposition geltend gemacht werden. Dem gegenüber steht aber wiederum der Wert des Fohlens, wenn es denn hoffentlich gesund zur Welt kommt. Nach ständiger Rechtsprechung ist der Wert des Tieres gegenzurechnen, so dass praktisch im Idealfall sich die Kosten aufheben. Nur sehr selten ergibt sich ein tatsächlicher Schaden des Käufers der Stute. Hier muss im Einzelfall gerechnet werden, welche Kosten tatsächlich infolge der ungewollten Trächtigkeit entstanden sind und welchen Wert das Fohlen hat. Da den Käufer der Stute eine Schadenminderungspflicht trifft, muss er das Fohlen spätestens mit dem Absetzen verkaufen. Behält er es, ist dies sein privates Hobby, er kann nicht die Unterstellkosten bis ans Lebensende für das Pferd gegenüber dem Verkäufer geltend machen. Auch dies dürfte sich von selbst verstehen.
Forscht der ungewollte Züchter nach, wer Vater des Fohlens ist und stellt fest, dass dies ein in einem Zuchtbuch eingetragener Deckhengst ist, hat er gegen den Hengsthalter auch einen Anspruch auf Ausstellung eines Deckscheins, selbst wenn der Vorbesitzer der Stute die Decktaxe nicht gezahlt hat. Nach ständiger Rechtsprechung besteht nämlich kein Zurückbehaltungsrecht des Hengsthalters wegen nicht bezahlter Decktaxe am Deckschein. Erhält das Fohlen dann ein Papier eines eingetragenen Zuchtvereines, ist dies bei der Wertfindung zu berücksichtigen. Nicht selten entsteht dann überhaupt kein Schaden!
2) Zwillingsträchtigkeit
Bei Züchtern gefürchtet ist die die Zwillingsträchtigkeit, die auch immer wieder die Gerichte beschäftigt. Im Jahr 2011 hatte das Oberlandesgericht in Celle darüber zu entscheiden, ob ein Tierarzt, der mit einer Trächtigkeitsuntersuchung beauftragt wird, den Stutenhalter darüber aufklären muss, dass eine weitere Untersuchung zur Feststellung einer Zwillingsträchtigkeit erforderlich ist. Dem lag der folgende Sachverhalt zu Grunde:
Der Stutenhalter beauftragte den Tierarzt mit einer Trächtigkeitsuntersuchung, welche er am 15. bzw. 17. Tag nach der Besamung vornahm. Es erfolgte unstreitig kein Hinweis darauf, dass eine weitere Untersuchung zur Feststellung einer Zwillingsträchtigkeit erforderlich gewesen wäre. Im darauf folgenden Jahr erlitt die Stute dann eine schwere Kolik, sie wurde stationär in einer Tierklinik aufgenommen.
Im Rahmen der Kolikbehandlung wurde ein Kaiserschnitt durchgeführt, da beide Fohlen zu früh geboren waren, verstarben sie in der Folge. Die Stute überlebte den Eingriff zwar, wurde aber nicht mehr tragend. Der Stutenhalter nahm nun den Tierarzt auf Schadensersatz in Anspruch, der die Trächtigkeitsuntersuchung durchgeführt hatte, ohne die Zwillingsträchtigkeit zu erkennen. Er forderte sowohl Ersatz der Kosten für die Kolikoperation, die er kausal auf die Zwillingsträchtigkeit zurück führte, als auch Ausfall für die Fohlen, welche er in den kommenden Jahren von der Stute ohne die Zwillingsträchtigkeit erhalten hätte.
Das Oberlandesgericht bejahte einen Behandlungsfehler des Tierarztes, der die Trächtigkeitsuntersuchung am 15. bzw. 17. Tag nach der Besamung durchgeführt hatte, ohne den Stutenhalter darüber aufzuklären, dass eine weitere Untersuchung zur Feststellung der Zwillingsträchtigkeit erforderlich gewesen wäre. Das Oberlandesgericht kam, sachverständig beraten, zu dem Ergebnis, dass dieses Vorgehen nicht dem tierärztlichen Standard bei der Besamung einer Stute entspricht. Das Gericht entschied, dass ein Tierarzt, der seinem Auftraggeber gegenüber den Auftrag annimmt, ein Tier zu behandeln, nicht nur den Einsatz der von einem gewissenhaften Veterinärmediziner zu erwartenden tiermedizinischen Kenntnisse und Erfahrungen schuldet, sondern darüber hinaus es auch seine Aufgabe ist, seinen Auftraggeber über die Behandlungsmethoden und ihre Gefahren zu beraten. Nur dann wird nach Auffassung des Gerichtes der Auftraggeber in die Lage versetzt, zu entscheiden, welche Behandlung er für sein Tier anstreben soll. Daher ist Art und Umfang der tierärztlichen Aufklärungspflicht im Einzelfall nach den dem Tierarzt erkennbaren Interessen seines Auftraggebers oder nach dessen besonderen Wünschen die er äußert, zu bestimmen.
Da eine Zwillingsträchtigkeit aufgrund der damit verbundenen erheblichen gesundheitlichen Risiken für die Stute in Züchterkreisen höchst unerwünscht ist, weshalb Züchter üblicherweise eine Zwillingsträchtigkeit möglichst frühzeitig sicher ausschließen wollen, entschied das Oberlandesgericht, dass der Tierarzt den Stutenhalter auf den Umstand hätte hinweisen müssen, dass eine weitere Untersuchung zum Ausschluss einer Zwillingsträchtigkeit erforderlich ist, denn der 15. bzw. 17. Tag nach der Besamung ist zu früh gewählt worden. Drt Tierarzt hätte den Stutenhalter über die Notwendigkeit einer Nachuntersuchung zwingend aufklären müssen, denn nur dann hätte der Stutenhalter entscheiden können, ob ein Zwilling abgedrückt werden soll, oder wie weiter zu verfahren ist. Die Befunderhebungspflicht wurde nach Auffassung des Oberlandesgerichtes verletzt, so dass ein grober Behandlungsfehler vorlag. Zu Gunsten des Stutenhalters kam es so zur Beweislastumkehr. Zu seinen Gunsten wurde vermutet, dass das Entstehen der schweren Kolik und das damit verbundene Erfordernis einer Notoperation inklusive Kaiserschnitt kausal auf dem Unterlassen der Beendigung der Zwillingsträchtigkeit beruhte. Das Gegenteil hätte der betroffene Tierarzt beweisen müssen, was ihm aber nicht gelangt. Dementsprechend musste der Tierarzt dem Stutenhalter die Kosten der Not-Operation ersetzen, ebenfalls hat das Oberlandesgericht entschieden, dass der Tierarzt für die in den Folgejahren nicht geborenen Fohlen Schadensersatz zu leisten hat. Dieser wurde errechnet aus dem Wert der nicht geborenen Fohlen abzüglich der im Falle der Geburt entstandenen Aufzuchtkosten. Für das Jahr, in welchem die Stute Zwillinge im Rahmen der Notoperation bekommen hat, die dann verstarben, war nach Auffassung des Oberlandesgerichtes kein Schadensersatz zu leisten, denn es ging davon aus, dass der Stutenhalter die Trächtigkeit mit beiden Föten beendet hätte, nicht nur mit einem. Da der Tierarzt hätte beweisen müssen, nachdem ein grober Behandlungsfehler festgestellt wurde, dass in den Folgejahren keine Fohlen auch bei sachgemäßer Behandlung entstanden wären, war hier Schadensersatz zu leisten. Denn den Nachweis, dass keine Fohlen geboren worden wären, konnte er ebenso wenig führen, wie den Nachweis, dass die Notoperation bei einer normalen Trächtigkeit auch erforderlich geworden wäre.
Iris Müller-Klein, Fachanwältin für Medizinrecht