(Pferdesport Bremen 08/2016)
Bekanntermaßen können sich Pferde auf alle erdenklichen Arten verletzen. Nicht umsonst sucht man oft stundenlang die Ursache für eine Verletzung – und findet sie nicht. Dies kann für den Pensionsstallbetreiber weitreichende Konsequenzen haben. Dies hängt mit der rechtlichen Einordnung des Pferde-Einstellvertrages durch die Rechtsprechung zusammen.
1) Art des Vertrages
Um zu prüfen, welche Pflichten eine jede Partei aus einem Vertrag hat, muss zuerst ermittelt werden, was welche Partei schuldet und was die Parteien genau vereinbart haben. Mit dieser Frage musste sich u.a. das Oberlandesgericht in Oldenburg auseinandersetzen, nachdem schon das Landgericht prüfen musste, inwieweit einen Pferde-Einstellbetrieb eine Haftung trifft, nachdem sich ein dort eingebrachtes Pferd in der Box verletzt hatte. Das Pferd stand in einer vom Betreiber der Anlage zugewiesenen Box. In der Nacht geriet das Pferd nach Herausbrechen eines Gitterstabes mit dem rechten Hinterbein zwischen die Gitterstäbe der Pferdebox und zog sich in der Folge erhebliche Verletzungen zu. Der genaue Schadenhergang blieb jedoch ungeklärt.
Das Landgericht prüfte zunächst, welche Pflichten eine jede Partei aus dem Vertrag treffen. Es kam zu dem Ergebnis, dass neben der Überlassung einer Pferdebox auch die Fütterung des Pferdes und die Übernahme der Fürsorge und Obhut für das eingestellte Tier geschuldet sei. Daher war nach Ansicht sowohl des Land- als auch des Oberlandesgerichtes Vertragsinhalt nicht nur die Vermietung einer Pferdebox, sondern auch die Lieferung von Futter und die Erbringung weiterer Dienste und Leistungen, insbesondere der Fütterung und Fürsorge für das Pferd. Es handelte sich nach Auffassung des Gerichtes um einen typengemischten Vertrag, der sich aus Elementen des Mietvertrages, des Kaufvertrages, des Dienstvertrages und des Verwahrungsvertrages zusammensetzte. Ein solcher Vertrag muss als einheitliches Ganzes betrachtet werden, wobei der Schwerpunkt des Vertrages durch das Gericht ermittelte wurde. Es ging davon aus, dass bei dem Pferdepensionsvertrag nicht die Überlassung der konkreten Box im Vordergrund stand, sondern die Pflicht für Fürsorge und Obhut über das Pferd. Diese Leistungen wurden als vertragswesentlich und typusbildend angesehen. Das mietvertragliche Element trat nach Auffassung des Gerichtes in den Hintergrund, zumal die Gewährung von Raum auch eine vertragstypische Leistung im entgeltlichen Verwahrvertrag ist. Sowohl das Land- als auch das Oberlandesgericht sahen es daher im Hinblick auf die Eigenart des Vertrages als gerechtfertigt an, im Pferdepensionsvertrag die haftungsrechtlichen Bestimmungen des Verwahrungsvertrages und nicht diejenigen des Mietrechtes anzuwenden. Daher war der Betreiber des Pensionsstalles nach Auffassung des Gerichtes verpflichtet, das in Obhut gegebene Pferd ordnungsgemäß, also unverletzt, wieder an die Eigentümerin herauszugeben. Nach Auffassung beider Gerichte waren bei Rückgabe des Pferdes in nicht ordnungsgemäßem Zustand die Grundsätze der Haftung nach Gefahren bzw. Verantwortungsbereichen heranzuziehen. Dies hatte zur Folge, dass eine Beweislastumkehr zulasten des Pferde-Pensionsbetriebes eintrat und dieser den Beweis dafür erbringen musste, dass der eingetretene Zustand nicht auf einer ihm zurechenbaren schuldhaften Pflichtverletzung beruhte. Um dies zu klären wurde vom Gericht ein Sachverständiger beauftragt. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass die Gitterstäbe der Pferdebox unzureichend mit dem auf die Holzeinfassung der Box aufgesetzten Rahmen verschweißt waren. Zur Beurteilung, ob die Box sorgfaltsgemäß errichtet wurde, zog der Sachverständige die Empfehlungen der Deutschen Reiterlichen Vereinigung hinzu. Nach deren Empfehlungen hätten die durch eine Bohrung im Rahmen geführten Stäbe rundum bzw. zu 80 % von unten mit dem Rahmen verschweißt werden müssen, so dass sich ein Stab aus der Verankerung nicht hätte lösen können. Der Sachverständige stellte klar fest, dass hier eine fehlerhafte Verarbeitung der Gitterstäbe vorlag. Gleichzeitig wurde aber auch festgestellt, dass dies für den Pferde-Pensionsstallbetreiber nicht erkennbar war. Denn erst durch eine Herausnahme der Holzbohlen aus der unter dem Gitter befindlichen Trennwand und durch eine Überprüfung und Begutachtung der an der Unterseite des Gitterrahmens befindlichen Schweißnähte konnte dieser Mangel überhaupt festgestellt werden. Das Oberlandesgericht kam zu dem Ergebnis, dass eine solch eingehende Überprüfung der Boxengitter durch einen Pferde-Pensionsstallbetreiber nicht durchgeführt zu werden braucht, insofern nahm das Oberlandesgericht an, dass sich der Stallbetreiber entlastet hatte, so dass er keinen Schadensersatz leisten musste.
2) Mängel in der Pferdebox
Besonders gefährlich ist der Umstand, dass durch die in einer Pferdebox immer herrschende Feuchtigkeit das Holz der Box arbeitet. Boxen bleiben daher nicht zwingend so, wie man sie gekauft hat. Dies sieht man häufig an den Mistbohlen, die sich im Laufe der Zeit auch optisch erkennbar verändern. Häufig beobachtet man, dass sie sich entweder verziehen und nicht mehr in die vorgesehenen Schienen passen, aber auch dass der Abstand zwischen Boxentrennwand und Mistbohle mit der Zeit größer wird. Hier kommt es immer wieder zu schweren Unfällen, weil die Pferde beim Wälzen zwischen Mistbohle und Boxentrennwand durchtreten. Dies hat häufig fatale Folgen, die nicht selten mit der Euthanasie des Pferdes enden.
Auch hier muss sich dann der Pferde-Pensionsstallbetreiber entlasten. Er muss den Nachweis führen, dass er regelmäßig die Boxen überprüft hat und für ihn nicht erkennbar war, dass sich im Laufe der Zeit ein derartiger Zwischenraum gebildet hat, dass das Pferd hindurchtreten konnte. Die Fälle werden hier vollkommen unterschiedlich bewertet, in der Regel muss ein Sachverständiger die Fragen für das Gericht beantworten. Da der Stallbetreiber regelmäßig seine Anlagen kontrollieren muss, macht es hier Sinn, in regelmäßigen Abständen Hilfe von außen in Anspruch zu nehmen und eine fachkundige Person zu bitten, die Boxen in Augenschein zu nehmen. So kann der Entlastungsbeweis am einfachsten geführt werden.
Unfallträchtig sind immer zu große oder zu kleine Abstände zwischen Pferdebox und Decke bzw. einzelnen Teilen der Pferdebox. So kam vor einigen Jahren eine Stute, die gerade in einen neuen Stall gestellt worden war, auf sehr grauenvolle Weise zu Tode. Über der Box war ein Zwischenraum von ca. 25 cm bis zur Decke. Die Stute wollte offensichtlich ihren neuen Nachbarn näher kennen lernen, steckte den Kopf seitlich durch diesen Abstand, geriet dann in Panik und zog zurück, wobei sie sich vermutlich das Genick brach, in jedem Fall wurde sie tot in dem Zwischenraum hängend aufgefunden. Auch hier musste ein Sachverständiger klären, ob eine Sorgfaltspflichtverletzung des Stallbetreibers vorlag und ob er dies hätte erkennen können. Der Abstand zwischen Boxenwand und Decke war grenzwertig, nach Auffassung des Sachverständigen aber durchaus üblich. Der Stallbetreiber konnte sich in diesem Fall also entlasten.
Wichtig ist auch die regelmäßige Überprüfung, ob sich Nägel und Schrauben gelöst haben. Verletzt sich das Pferd hier, ist es in der Regel schwierig für den Stallbetreiber sich zu entlasten, denn hervorstehende scharfkantige Gegenstände sind üblicherweise gut mit dem Auge zu erkennen. Hier sind nicht nur Schnittverletzungen gefährlich, die Pferde können auch mit dem Halfter hängen bleiben. So erhängte sich beispielsweise einmal ein Fohlen, das über die relativ niedrige Boxentrennwand mit dem Kopf ragte, sich selber am Halfter. Man sollte daher auch immer überlegen, ob man überhaupt Halfter in der Box auflässt. Gerade Fohlen können sich hier leicht und schwer verletzen.
3) Futterkammer
Die Gerichte müssen sich leider auch immer wieder mit der Frage der Sorgfaltspflicht im Hinblick auf die ordnungsgemäße Absperrung der Futtermittel beschäftigen. Leider passiert es immer wieder, dass sich die Pferde nachts befreien können und freien Zugang zum Futter haben. Gerade aktuell muss sich wieder ein Gericht mit der Frage beschäftigen, inwieweit der Stallbetreiber dafür verantwortlich ist, dass nachts mehrere Pferde zum wiederholten Male (!) die Tür ihres Offenstalles öffnen konnten und in die frei zugängliche Futterkammer gelangten. Dort fraßen sie die ganze Nacht Pferde- und Hühnerfutter. Am Abend des nächsten Tages kolikte eines der Pferde so schwer, dass es an den Folgen des nächtlichen Überfalles auf die Futterkammer verstarb und auch in der Tierklinik nicht mehr gerettet werden konnte. Die Parteien streiten nun um die Frage der Tragung der Tierarztkosten sowie des Wertersatzes für das Pferd. Da es immer geschehen kann, dass eine Tür einmal offen bleibt, sollte die Futterkammer stets zusätzlich verschlossen sein. Die Wahrscheinlichkeit, dass zwei Türen offenstehen bleiben ist doch geringer!
4) Bodenbelag
Vor einigen Jahren musste sich das Landgericht Bremen mit der Frage beschäftigen, ob der Belag auf der Stallgasse sorgfaltsgemäß erstellt wurde und welche Steigung in einem Pferdestall noch toleriert werden kann. Nachdem der Stallbetreiber seine Stallungen umgebaut hatte, mussten die Pferde aus einer Stallgasse eine relativ steile Rampe hinuntergehen, um in die Reithalle zu gelangen. Theoretisch war es auch möglich, die Stallgasse an der anderen Seite zu verlassen, dann hätte man aber um den Stall außen herumgehen müssen. Ein Pferd rutschte im Winter auf der Rampe aus und verletzte sich so schwer, dass es in der Folge nicht mehr reitbar war. Der Eigentümer verklagte daraufhin den Pferde-Pensionsbetreiber. Nachdem das Gericht sich Fotos der Rampe hatte zeigen lassen, regte es dringend den Abschluss eines Vergleiches an. Dies wurde von den Parteien angenommen, so dass im Ergebnis kein Sachverständiger die Rampe beurteilen musste.
Grundsätzlich muss der Stall selber sowie auch sämtliche Inneneinrichtungen und Zugänge dazu so beschaffen sein, dass die Pferde sich daran nicht verletzen können. Bei Unklarheiten sollte der Stallbetreiber unbedingt einen fachkundigen Dritten mit der Beurteilung hinzuziehen, da er sich so für den Fall dass ein Unfall geschieht, entlasten kann. Sobald Pferde-Eigentümer Gefahrenquellen im Stall ausmachen, sollten sie diese möglichst schriftlich dem Stallbetreiber anzeigen. Spätestens mit dieser Anzeige hat der Verwahrer dann nämlich Kenntnis von den schadenursächlichen Umständen und muss handeln. Beseitigt er die Gefahrenquelle nicht unverzüglich, trifft ihn im Schadenfall die volle Haftung, denn ein Entlastungsbeweis ist dann nicht mehr möglich.
5) Schutzmöglichkeiten
Beide Vertragsparteien sind gut beraten, wenn eine Obhutschadenversicherung durch den Stallbetreiber abgeschlossen wird. Die Obhutschadenversicherung tritt ein für Schäden an den eingebrachten Pferden, wobei in der Regel eine Haftungs-Höchstsumme vereinbart wird. Häufig herrscht der Irrglaube, dass Schäden an den eingebrachten Pferden durch die Haftpflichtversicherung abgedeckt seien. Dies ist aber falsch und führt im Schadenfall immer wieder zu Unstimmigkeiten zwischen den Parteien. Die Obhutschadenversicherung übernimmt in der Regel Tierarztkosten und im schlimmsten Falle auch einen etwaigen Minderwert oder gar den Wertersatz bei Verlust des Pferdes in Höhe der Versicherungssumme. In der Praxis stellt man leider nur häufig fest, dass die wenigsten Stallbetreiber diese Versicherung abgeschlossen haben, geschweige denn überhaupt Kenntnis davon haben.
Iris Müller-Klein, Fachanwältin für Medizinrecht