(Quarter Horse Journal 05/2016)
Was beim Ausreiten zu beachten ist: Mit zunehmend besserem Wetter beginnt nicht nur die Weidesaison, auch können wieder längere Austritte in die Umgebung vorgenommen werden. Leider verfügt nicht jeder Reitstall über ein optimales Ausreitgelände, daher soll beleuchtet werden, wie man sich mit Pferden im Straßenverkehr verhält.
1) Reiten im Straßenverkehr
Entgegen der häufig verbreiteten Ansicht gehören Reiter nicht auf den Rad- oder Fußweg, sondern müssen gem. § 28 der Straßenverkehrsordnung auf der rechten Straßenseite reiten. Zu beachten ist, dass nur derjenige ein Pferd im Straßenverkehr reiten darf, der über die erforderliche Erfahrung verfügt. Diese ist sicherlich nicht bei einem Reitanfänger gegeben. Auch mit jungen Pferden muss daher entsprechende Sorgfalt beachtet werden. Die Pferde müssen langsam an den Verkehr herangeführt werden. Wichtig ist auch, dass nicht nur der Reiter erfahren ist, sondern möglichst auch ein erfahrenes Begleitpferd das junge Pferd bei seinen ersten Schritten im Straßenverkehr begleitet und Ruhe vermittelt. Es sollte daher unbedingt in wenig befahrenen Gebieten die Gewöhnung an den Straßenverkehr geübt werden. Sinnvoll kann es hier sein, neben einem erfahrenen Pferd auch noch eine Person am Boden zu bemühen, die in einer brenzligen Situation eingreifen kann. Sollte es sonst mit einem jungen Pferd im Straßenverkehr zu einem Unfall kommen, muss sich der Reiter/Halter des Pferdes den Vorwurf gefallen lassen, nicht die erforderliche Sorgfalt beachtet zu haben.
Da es abends schnell dunkel wird, muss auch die richtige Beleuchtung beim Reiten und Führen von Pferden im Straßenverkehr berücksichtigt werden. Es soll sowohl beim Führen eines Pferdes, als auch beim Reiten eine nicht blendende Leuchte mit weissem Licht verwendet werden, die auf der linken Seite von vorne und von hinten gut sichtbar ist. Hintergrund dieser Vorschrift ist, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer vermieden werden soll. Kfz-Fahrer müssen grds. das Sichtfahrgebot einhalten, d.h. sie dürfen nur so schnell fahren, dass sie vor einem schon auf der Fahrbahn befindlichen Hindernis in absehbarer Strecke anhalten können. Kommt es nun zu einer Kollision zwischen Reiter und Pkw ist zumindest ein Mitverschulden des Pferdehalters zu berücksichtigen, lag keine ausreichende Beleuchtung vor. Dies gilt selbst dann, wenn der Pkw zu schnell gefahren sein sollte.
Es kann bei lebhaftem Verkehr geboten sein, dass der Reiter bei sich zeigender Nervosität absteigt und das Pferde auf der linken Seite führt. Als grundsätzlich sorgfaltswidrig ist es zu qualifizieren, wenn zwei Pferde gleichzeitig geführt werden- unabhängig davon, ob dies im Straßenverkehr geschieht oder anderweitig. Ein Mensch kann nicht gleichzeitig zwei Pferde kontrollieren, so dass zumindest von einem Mitverschulden auszugehen ist, kommt es zum Schaden.
Weiter muss sowohl beim Reiten im Gelände, als auch im Straßenverkehr ein geeigneter Sicherheitsabstand zum Vorderpferd, der in einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamburg mit 10 m angegeben wurde, eingehalten werden. Dies mag im Einzelfall auch anders beurteilt werden.
Haftungsträchtig ist es auch, ein Handpferd bei sich zu führen. In der Literatur wird das Führen von Handpferden im Straßenverkehr als sorgfaltswidrig beschrieben, da der Reiter nicht gleichzeitig auf das von ihm gerittene und gleichzeitig auf das Handpferd einwirken könne. Insofern sollte man mit Handpferden nur im unmittelbaren Gebiet rund um den heimatlichen Stall unterwegs sein, so dass keine Straßen überquert werden müssen, sollte das Handpferd weglaufen. Kommt es nämlich zwischen einem nach Hause laufenden Handpferd und einem Pkw zu einem Zusammenstoß, dürfte das weit überwiegende Verschulden beim Pferdehalter zu suchen sein, der mit Handpferd im Gelände unterwegs ist.
Nicht nur das Pferd selber kann jedoch im Straßenverkehr eine Gefahr darstellen, sondern es lauern auch durchaus Gefahren auf das Pferd. Gerade Feldwege und unbefestigte Seitenstreifen, die von Reitern gerne genutzt werden um die Hufe der Pferde zu schonen, können gefahrträchtig sein. So musste sich vor einigen Jahren ein Amtsgericht mit der Frage beschäftigen, wer für die Tierarztkosten eines Pferdes haftet, welches beim Begehen des Seitenstreifens plötzlich mit der Hinterhand in einem nicht verfüllten Spülloch unmittelbar neben der Asphaltdecke einbrach, das optisch durch den Grasbewuchs für die Reiterin nicht erkennbar war. Das Pferd zog sich bei dem Unfall eine schwere Fesselträgerverletzung zu, die Tierhalterin hatte bei dem Unfall großes Glück. Das Pferd musste jedoch über ein halbes Jahr tierärztlich betreut werden, so dass nicht unerhebliche Kosten anfielen. Vor Gericht musste dann erst einmal geklärt werden, wer für das unterlassene Verfüllen des Spülloches verantwortlich war, die Baufirma selber oder aber die Gemeinde, die die Arbeiten in Auftrag gegeben hatte. Die Haftung traf in diesem Fall die Firma, welche die Arbeiten durchgeführt und das Spülloch nicht richtig verfüllt hatte. Im Ergebnis wurde bezüglich der Tierarztkosten ein Vergleich zwischen der Pferdehalterin und der Firma geschlossen, so dass wenigstens ein großer Teil der Tierarztkosten übernommen wurde.
2) Reiten auf Feldwegen
Für den Pferdehalter und das Pferd nicht so glücklich verlief ein anderer Unfall. Ein Reiter galoppierte mit seinem Pferd auf einem Feldweg, an dessen Rand noch Erdarbeiten zu erkennen waren. Plötzlich sank das Pferd tief in das Erdreich ein, kam zu Fall und verfing sich im angrenzenden Drahtzaun, wobei es sich schwer verletzte. Der Halter des Pferdes machte die Firma, welche die Rohrverlegungsarbeiten durchgeführt hatte, für den ihm entstandenen Schaden, insbesondere die Tierarztkosten, haftbar. Rechtlich entscheidend war nun die Frage, ob die Firma, welche die Arbeiten durchgeführt hatte, verpflichtet war Vorkehrungsmaßnahmen zu treffen um Benutzer des Weges und des Randstreifens zu schützen, gerade weil nicht ohne weiteres zu erkennen war, das hier entsprechende Arbeiten stattgefunden hatten.
Im Ergebnis wurde vom Oberlandesgericht die Haftung der Firma verneint, das überwiegende Verschulden liege ganz klar beim Tierhalter. Das Oberlandesgericht führte aus, dass es nicht Sache des Verkehrssicherungspflichtigen sei, die vollständig gefahrlose Benutzung des Feldweges sicherzustellen. Dies gelte erst recht dann, wenn für den Benutzer des Weges die Gefahrenquelle ohne weiteres zu erkennen sei – nämlich die ursprünglich einmal stattgefundenen Erdarbeiten. Wenn ein Reiter erkenne, dass Arbeiten am Feldweg stattgefunden hätten, ohne dass die Gefahrenquelle selber sofort sichtbar sei, so müsse das Verhalten angepasst werden. Konkret bedeutet dies, dass das Oberlandesgericht fordert, dass ein jeder Reiter der erkennt, dass Arbeiten in der Nähe eines Weges stattgefunden haben sofort durchpariert und besonders aufmerksam den Untergrund studiert, bevor er dort entlang reitet. Das Galoppieren auf dem Feldweg, selbst wenn man die direkte Gefahrenquelle nicht erkennen konnte, nur das Erdarbeiten stattgefunden hatten, sah das Oberlandesgericht als grob sorgfaltswidrig an und lehnte daher eine Haftung der Baufirma ab.
Nicht nur in der Reithalle herrschen also Regeln, die beachtet werden müssen. Gerade in Geländeeinheiten, die unbekannt sind sollte man also in keinem Fall auf dem Seitenstreifen traben oder galoppieren. Erkennt der Reiter, dass am Wegesrand Bauarbeiten stattgefunden haben, ist größte Vorsicht zu genießen. Ist der Untergrund nicht klar erkennbar kann es auch geboten sein, dass der Reiter absteigt und zu Fuß vorgeht, damit das Pferd nicht zu Schaden kommt – denn im Zweifelsfall haftet der Reiter selber für den Schaden.
Iris Müller-Klein, Fachanwältin für Medizinrecht, Schwarme