(Oldenburger International 11/2013)
Mit dem Ende der Sommerzeit beginnt für viele Pferdehalter die Sorge um die Gesundheit ihres Pferdes, häufig verbunden durch wieder längere Aufenthalte in der Box. Viele Pferde leiden an einer cob (chronische obstruktive Bronchitis), die nach der Rechtsprechung gerade bei älteren Pferden in gering ausgeprägtem Maße noch nicht einmal als Mangel angesehen wird. Häufig ist sie schlichtweg eine Folge unserer Haltung. Atemwegserkrankungen von Pferden beschäftigen die Gerichte immer wieder.
Wann ist eine chronische obstruktive Bronchitis ein kaufrechtlicher Mangel?
Die chronische obstruktive Bronchitis war bereits zu Zeiten der kaiserlichen Viehmängelverordnung als sogenannter Gewährsmangel bekannt, damals unter dem Namen ,,Dämpfigkeit‘‘. Heute weiß man, dass insbesondere die Haltung entscheidenden Einfluss auf das Entstehen und den Grad der Ausprägung der Erkrankung bei Pferden hat. Auslösende Faktoren sind beispielsweise Schimmelpilzspuren, Gase und Stäube etc., weshalb betroffene Pferde besonders viel an der frischen Luft sein sollten. Auch heute noch handelt es sich bei der chronisch obstruktiven Bronchitis um die am häufigsten vorkommende Erkrankung des Respirationstraktes bei Pferden, wobei man davon ausgeht, dass über 50 % der über 12-jährigen Pferde betroffen sind. Häufig fällt die Erkrankung erst auf, wenn deutliche Anzeichen wie Husten, geblähte Nüstern, das Ziehen einer deutlich erkennbaren Dampfrinne etc. für den Pferdehalter erkennbar sind.
Aufgrund der Häufigkeit der Erkrankung beschäftigt die cob immer wieder Deutsche Gerichte. So hatte beispielsweise vor wenigen Jahren das Oberlandesgericht Stuttgart zu beurteilen, ob das Vorliegen einer chronisch obstruktiven Bronchitis, die erstmalig mehrere Wochen nach Übergabe von einem Tierarzt festgestellt worden war, als Mangel anzusehen ist. Bei dem zu entscheidenden Fall handelte es sich um einen Verbrauchgüterkauf über ein Pferd, das heißt, das Pferd wurde von einem unternehmerisch tätigen Verkäufer an einen Verbraucher veräußert. Binnen der 6-monatigen Frist des § 476 BGB zeigte sich nach Übergabe des Pferdes eine chronisch obstruktive Bronchitis. Das zuvor tätige Landgericht entschied ebenso wie das Oberlandesgericht, dass nach der Art des Mangels die zeitliche Vermutungsreglung des § 476 BGB anzuwenden sei, das heißt, es wurde zunächst zugunsten des Käufers vermutet, dass die binnen 6 Monaten nach Übergabe aufgetretene Lungenerkrankung zum Zeitpunkt der Übergabe vorgelegen hat. Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines tiermedizinischen Sachverständigengutachtens. In diesem Gutachten sollte geklärt werden, ob die chronisch obstruktive Bronchitis zum Zeitpunkt der Übergabe bereits vorgelegen hat, bzw. ob der Verkäufer des Pferdes den Beweis führen kann, dass die Erkrankung nicht vorlag. Um die Frage zu beantworten, hatte der Sachverständige umfangreiche Untersuchungen im Rahmen der Kaufuntersuchung vorliegen. So war beispielsweise im Rahmen der Kaufuntersuchung ein Lungenbelastungstest und eine klinische Lungenuntersuchung vorgenommen worden, deren Ergebnisse vom Tierarzt dokumentiert waren. Aufgrund dieser Untersuchungen und der weiteren Feststellungen des behandelnden Tierarztes kam der Sachverständige zu dem Ergebnis, dass zum Zeitpunkt der Übergabe bei dem Pferd noch keine chronische Lungenerkrankungen vorlag, dementsprechend wies das Landgericht ebenso wie das Oberlandesgericht in der zweiten Instanz die Klage auf Rückabwicklung des Kaufvertrages ab.
Ob sich die Erkrankung der chronischen obstruktiven Bronchitis tatsächlich nach ihrer Art für die Beweislastumkehr eignet, ist kritisch zu werten und wird von den Gerichten auch unterschiedlich gesehen. Gerade die chronische obstruktive Bronchitis tritt häufig im Zusammenhang mit verschiedenen Umweltfaktoren auf, wobei sich die Symptome kurzfristig zeigen und die Erkrankung auch kurzfristig wieder abheilen kann, je nach Umwelt. Danach handelt es sich nach den Erwägungen des Gesetzgebers eigentlich um eine Erkrankung, die der Beweislastumkehrreglung gerade nicht zugänglich ist. Der Gesetzgeber hat nämlich in seinen Erwägungen ausgeführt, dass gerade bei Tierkrankheiten die Frage der Beweislastumkehr sehr kritisch zu werten ist. In jedem Fall dann, wenn die Inkubationszeit einer Erkrankung kürzer ist, als die zurückliegende Übergabe des Tieres, soll nach dem Willen des Gesetzgebers eine Beweislastumkehr gerade nicht angenommen werden. Dementsprechend ist die Entscheidung im Hinblick auf die Anwendung der Beweislastumkehr kritisch zu werten, nicht umsonst gibt es gegenteilige Rechtsprechungen.
Haftung des Tierarztes
Nicht nur in kaufrechtlichen Streitigkeiten tritt die chronische obstruktive Bronchitis in Erscheinung, sondern auch bei der Frage, ob den Tierarzt bei der Behandlung ein Verschulden trifft. Im Jahr 2009 hatte das Landgericht Kassel zu entscheiden, ob ein Tierarzt nach einer durchgeführten Lungenspülung eines an einer cob erkrankten Pferdes dem Pferdehalter Schadensersatz zu leisten hat, nachdem das Pferd im Anschluss an die Lungenspülung verstorben war. Im August wurde das streitgegenständliche Pferd dem Tierarzt wegen Hustens vorgestellt. Es handelte sich um ein recht erfolgreiches Sportpferd, welches in den vergangen Wochen nicht mehr an Turnieren teilgenommen hatte, unteranderem auch wegen der Erkrankung. Nach Untersuchung des Pferdes in der Tierklinik wurde dieses stationär aufgenommen. Neben einer Sekretanalyse des Schleimes, wurde vom Tierarzt eine Lungenspülung in Form einer Hyperinfusionstherapie durchgeführt, wobei diese an vier aufeinander folgenenden Tagen erfolgte. Am letzten Tag verstarb das Pferd an einem Kreislaufversagen. In dem Rechtsstreit nahm der Eigentümer des Pferdes den Tierarzt auf Ersatz des ihm entstandenen Schadens, vornämlich des Wertes des Pferdes zum Schadenszeitpunkt, in Anspruch. Da es sich um ein recht erfolgreiches Springpferd handelte, wurde ein Schaden von über 100.000 € vom Pferdeeigentümer geltend gemacht. Das Gericht holte zur Frage, ob die Behandlung des Pferdes den Anforderungen der tierärztlichen Sorgfalt entsprach, ein Sachverständigengutachten, durch einen tiermedizinischen Sachverständigen ein. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass der Pferdeeigentümer vor dem Eingriff nicht ausreichend über die Risiken aufgeklärt worden sei. Das Gericht führte in seinen Entscheidungsgründen aus, dass ein Tierarzt über die erkennbar für die Entscheidung des Patienteneigentümers, medizinisch bedeutsamen Umstände aufklären muss, dazu gehört auch das Risiko einer ordnungsgemäßen Behandlung. Neben diesem Risiko ist nach Auffassung des Gerichtes das Verhältnis zwischen Notwendigkeit der Behandlung und ihren möglichen Folgen zu berücksichtigen. Da bei einer Hyperinfusionstherapie immerhin 0,5 – 1 % der betroffenen Pferde versterben, sah das Gericht es für erforderlich an, dass der Pferdeeigentümer vor dem Eingriff über dieses Risiko auch bei ordnungsgemäßer Durchführung der Hyperinfusion aufgeklärt wird. Diese Aufklärung war im konkreten Fall nicht ausreichend erfolgt, was das Landgericht durch Anhörung der benannten Zeugen ermittelt hatte. Demzufolge war der Tierarzt verpflichtet, dem Pferdeeigentümer den ihn entstandenen Schaden zu ersetzen. Da das Pferd nach den Ausführungen des Sachverständigen an einer chronischen Bronchitis gelitten hat, musste der Wert des Pferdes zum Schadenzeitpunkt mit der Erkrankung ermittelt werden. Infolge der chronischen obstruktiven Bronchitis war eine Wertminderung von rund 80 % vorzunehmen, sodass der Verkehrswert des Pferdes zum Schadenzeitpunkt vom Sachverständigen mit nur 5000 € bewertet wurde. Dies war der Betrag, der im Ergebnis dem Pferdeeigentümer bezahlt werden musste.
Je nach Schweregrad der Erkrankung kann die Minderung des Verkehrswertes auch geringer ausfallen, dies ist jeweils im Einzelfall zu beurteilen, wobei auch die Verwendung des Pferdes von entscheidender Bedeutung ist. Gerade im Freizeitbereich werden Pferde mit cob unproblematisch genutzt, wohingegen ein Einsatz als Sportpferd je nach Schweregrad der Erkrankung ausscheidet.
Iris Müller-Klein, Fachanwältin für Medizinrecht