Haftungsfragen rund um die Pferdefütterung: Die Haftung des Landwirtes und/oder Pensionsstallbetreibers für das von ihnen gelieferte Futter beschäftigt die Gerichte regelmäßig. Dabei gelangt in den letzten ca. 20 Jahren die Produkthaftung immer mehr in den Fokus der Rechtsprechung. Denn die Produkthaftungsrichtlinie nahm ursprünglich die Haftung für unverarbeitete landwirtschaftliche Produkte von einer etwaigen Haftung aus, was u.a. durch die Nuklearkatastrophe in Tschernobyl motiviert war.
Seit Dezember 2000 sind pflanzliche Produkte nun von der Haftung nach dem Produkthaftungsgesetz umfasst. Jeder, der Hersteller eines Produktes ist – so z.B. der Landwirt, der sein selbst gepresstes Heu veräußert oder an die Pensionspferde verfüttert – haftet verschuldensunabhängig für Schäden, die durch das Produkt entstehen.
Haftung des Betreibers eines Pferdepensionsbetriebes für selbst hergestellte Silage
Das Oberlandesgericht Hamm musste sich im Jahr 2016 mit der Haftung eines Betreibers eines Pferdepensionsbetriebes auseinandersetzen, der selbst hergestellte Silage an die eingebrachten Pferde verfütterte. Mehrere der Pferde erkrankten, nachdem die Silage ganz offensichtlich das Clostridium Botulinum enthielt. Das Clostridium Botulinum löst die Botulismuserkrankung beim Pferd aus, indem es die nervliche Reizübertragung blockiert und je nach klinischer Erscheinungsform zur Muskellähmung und/oder zur Leistungsminderung einhergehend mit organischen Störungen führt. Obgleich es keinen labormedizinischen Nachweis für die Intoxikation mit dem Botulinum gab, kam der Tatrichter zu dem Ergebnis, dass es keine andere Ursache für die Erkrankung der Pferde gab. Die Beweiswürdigung obliegt allein dem Richter und ist nur bedingt angreifbar. Entscheidend war in diesem Fall aber, dass das Oberlandesgericht in seiner Entscheidung darauf abstellte, dass eine Exkulpation des Landwirtes nicht möglich sei. Das Gericht stellte klar, dass es sich bei der Haftung des Landwirtes um eine reine Gefährdungshaftung handelt, somit also kein Verschulden des Landwirtes erforderlich ist. Dies bedeutet, dass der „Hersteller“ der Silage für jeden durch die Kontamination hervorgerufenen Schaden an den eingebrachten Pferden haftet, selbst wenn er nicht die Möglichkeit hatte, die Kontamination zu erkennen. Dies macht deutlich, welche erheblichen Risiken die Eigenproduktion von Futtermitteln für Pferde für den Pensionsstallbetreibers bietet. In dem vom Oberlandesgericht Hamm entschiedenen Fall ging es alleine um Tierarztkosten von über 8000 €, bevor das Pferd dann verstarb. Die Geschädigte verlangte somit nicht nur den Ersatz der Tierarztkosten, sondern auch den Wert des Pferdes, insgesamt ging es um einen Schaden von mehr als 20.000 €.
Haftung des Futtermittellieferanten
Das Landgericht Gera beschäftigt sich derzeit mit der Haftung des Futtermittelherstellers für den von ihm ausgelieferten Hafer. Ein größeres Gestüt bezog im Jahr mehrere Tonnen Hafer von der örtlichen Genossenschaft. Plötzlich kam es im Betrieb zu vermehrtem Auftreten von Kolik. Ein sehr wertvoller Deckhengst konnte nicht mehr gerettet werden, er verstarb infolge der Kolik. Da es auffällig war, dass sich die Erkrankung im gesamten Bestand zeigte und zeitgleich über 10 Tiere erkrankt waren, ließ das örtliche Veterinäramt den gelieferten Hafer untersuchen. Die Laborergebnisse waren eindeutig – der Hafer war in erheblichem Maße mit Schimmelpilzen belastet. Nach Auskunft der zuständigen Tierärzte war dies eine denkbare Ursache für das vermehrte Auftreten von Koliken in dem Bestand.
Die Pferdeeigentümerin macht nunmehr gegen die landwirtschaftliche Genossenschaft sowohl die Tierarztkosten für die Behandlung der Pferde geltend, als auch den Wert des Deckhengstes, der leider verstarb.
In diesem Verfahren muss das Landgericht neben einer Haftung nach dem Produkthaftungsgesetz auch entscheiden, ob nicht auch eine Haftung der Genossenschaft nach dem Lebensmittel-Bedarfsgegenstände-Futtermittelgesetz in Betracht kommt. Danach übernimmt der Verkäufer eines Futtermittels dafür die Gewähr, dass das Futtermittel die in der Verordnung der EG bezeichneten Anforderungen erfüllt. Neben dem Produkthaftungsgesetz kommt nämlich auch diese Haftung in Betracht. Der Verkäufer eines Futtermittels haftet danach für die handelsübliche Reinheit und Unversehrtheit dieses Futtermittels, völlig unabhängig davon, ob das Futtermittel einer Verarbeitung unterzogen wurde oder nicht. Auch diese Haftung ist verschuldensunabhängig, was wieder deutlich zeigt, wie haftungsträchtig der Verkauf von selbst hergestellten Futtermitteln für den Pensionsstallbetreiber ist. Denn wenn Futtermittel verunreinigt sind, trifft der Schaden meist den gesamten Bestand, zumindest einen großen Teil davon. Jeder, der also selbst hergestellte Futtermittel in seinem Betrieb an nicht in seinem Eigentum stehende Tiere verfüttert, sollte sich dieser Haftung bewusst sein. Denn ein Verschulden – wie die Entscheidung des Oberlandesgerichtes Hamm deutlich macht – ist gerade nicht erforderlich, so dass der Landwirt auch bei bestmöglicher Vorsorge und Sorgfalt vollumfänglich haftet. Daher sollten die Möglichkeiten einer entsprechenden Versicherung unbedingt berücksichtigt werden.
In einem ähnlich gelagerten Fall erkrankten mehrere Pferde in einem Aufzuchtbetrieb. Zunächst magerten die Pferde ohne erkennbaren Grund massiv ab und wuchsen nicht mehr altersgerecht, dann bekamen einzelne Pferde massiv Kolik. Ein Pferd verstarb, ein anderes wurde umfangreich in einer Tierklinik untersucht. Es stellte sich heraus, dass das vom örtlichen Futtermittelhändler gelieferte Kraftfutter mit metallischen Verunreinigungen durchsetzt war, die man mit dem bloßen Auge nicht erkennen konnte. Die in der Tierklinik durchgeführte Magenspiegelung erbrachte Läsionen und Risse in der Magenschleimhaut. Nach Ansicht der behandelnden Tierärzte war das verunreinigte Futter eine denkbare Ursache für die Erkrankung des Bestandes. Denn kaum war das Futter abgesetzt, erholten sich die Tiere deutlich. Der Eigentümer der Pferde verhandelt derzeit noch über die Höhe des ihm entstandenen Schadens mit der Haftpflichtversicherung des Futtermittellieferanten.
Haftung für die Fütterung mit Brot, Kuchen und Brötchen
Ende diesen Jahres muss sich erneut das Oberlandesgericht Hamm mit der Frage auseinandersetzen, ob und inwieweit ein Stallbetreiber haftet, wenn er die bei ihm eingebrachten Pferde mit Futtermitteln versorgt, die als Nahrungsmittel nur bedingt geeignet sind. Dem liegt der folgende Sachverhalt zu Grunde:
Die Klägerin hatte ihre Pferde in einem privaten kleinen Stall untergebracht. Die Versorgung geschah teils durch die Stallbetreiber, teils regelte sie dies eigenständig. In dem Stall befanden sich zwei Pferde der Klägerin, die nur stundenweise auf die Weide kamen, um nicht das Risiko der Hufrehe einzugehen. Trotz dieser Vorsichtsmaßnahme erkrankten beide Pferde im Abstand von nur einer Woche an Hufrehe. Die Pferdehalterin hatte zunächst keine Erklärung, bis sie von Nachbarn darauf aufmerksam gemacht wurde, dass die Steilbetreiber vom örtlichen Bäcker die Backwaren des Vortrages in Plastikmüllsäcken bekamen und in rauen Mengen an die Pferde verfüttert. Dies geschah in der Regel morgens, wenn die Klägerin arbeiten war. Sie wusste davon nichts. Die Nachbarn schilderten, dass die Pferde neben Brot und Brötchen sogar Kuchen erhielten.
Das erstinstanzliche Gericht holte ein Sachverständigengutachten zur Frage ein, ob diese Fütterung die Hufrehe verursacht hat. Der tiermedizinische Sachverständige führte dazu aus, dass man nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausschließlich die Fütterung der Backwaren als Ursache ansehen könne. In jedem Fall sei es aber keine tiergerechte Ernährung. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Hufrehe entstehe, sei dadurch in jedem Fall deutlich erhöht worden.
Das erstinstanzliche Gericht wies die Klage vollumfänglich ab, da es dies nicht als ausreichend ansah. Das Oberlandesgericht Hamm hingegen verhandelt den Fall neu, so dass abzuwarten sein wird, wie es die Haftung der Stallbetreiber bewertet, die ohne Information an die Eigentümer die Pferde mit Brot und Kuchen in erheblichen Mengen gefüttert haben.
Iris Müller-Klein, Fachanwältin für Medizinrecht