(Oldenburger International 10/2014)
Steht im Fokus der Rechtsstreitigkeiten rund um das Pferd vorrangig die Gesundheit des Pferdes, so ist in zweiter Linie die Ausbildung streitbefangen. Die Probleme sind hier mannigfaltig und teilweise durchaus humoristisch geprägt.
1) Vereinbarung der Parteien
Um überhaupt prüfen zu können, ob eine Mangelhaftigkeit des Pferdes gegeben ist, muss ermittelt werden, was die Parteien überhaupt betreffend die Beschaffenheit des Pferdes im Hinblick auf die Ausbildung vereinbart haben. Hier muss genau der Kaufvertrag untersucht werden, was die Parteien zum Zeitpunkt der Übergabe geregelt haben. Streitbefangen ist hier häufig eine Verkaufsanzeige, in der das Pferd als leichtrittig, leicht durch das Genick zu stellen, anfängergeeignet etc. bezeichnet wird. In der Regel empfindet der Käufer dies auch noch beim Ausprobieren des Pferdes, nach einigen Wochen des alleinigen Reitens stellt sich dann heraus, dass das Pferd gar nicht so leichtrittig wie beschrieben ist. Plötzlich bekommt der Käufer des Pferdes Probleme, die nach seiner Auffassung ausschließlich im Pferd begründet liegen.
Die Frage, ob Angaben in Verkaufsanzeigen überhaupt die Beschaffenheit begründen, wird unterschiedlich – je nach Fall – von der Rechtsprechung gesehen. Ein Teil der Rechtsprechung geht davon aus, dass es sich um subjektive Eindrücke des Verkäufers handelt, der andere Teil sieht dies durchaus als Grundlage der vertraglich vereinbarten Beschaffenheit an. Diese Auffassung ist sicherlich als fraglich zu beurteilen, sollte aber bei einem etwaigen Kauf bzw. Verkauf berücksichtigt werden. Dies bedeutet, dass der Verkäufer eines Pferdes zur Vermeidung von Missverständnissen im Kaufvertrag angeben sollte, dass sämtliche Angaben zu Eigenschaften des Pferdes alleine auf subjektiven Eindrücken des Verkäufers beruhen und keine zugesicherten Eigenschaften darstellen.
Kommt das Gericht zu der Auffassung, dass z.B. “Leichtrittigkeit” als Beschaffenheit des Pferdes vereinbart wurde, wird in der Regel Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens durch eine oder einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für Pferdezucht und -haltung. Es wird in der Regel ein Ortstermin vereinbart, das streitgegenständliche Pferd wird durch einen von dem Sachverständigen gestellten Reiter zur Probe geritten. Da ist allseits bekannt ist, dass sich Pferde gerade reiterlich sehr schnell verschlechtern können, kann der Sachverständige in der Regel keine Angaben zu dem Bestehen oder Nichtbestehen der Leichtrittigkeit zum Zeitpunkt der Übergabe machen. In der Regel ist dann der Käufer des Pferdes beweisfällig, da er dafür beweispflichtig ist, dass die Beschaffenheit zum Zeitpunkt der Übergabe nicht vorgelegen hat. Dies gilt nach ständiger Rechtsprechung auch beim Verbrauchsgüterkauf, denn die Gerichte gehen davon aus, dass sich derartige Eigenschaften jeweils mit dem Reiter entwickeln und somit einer Beweislastumkehr nicht zugänglich sind. Hierzu gibt es bereits eine Vielzahl obergerichtlicher Rechtsprechungen. Das Oberlandesgericht Oldenburg lehnt die Anwendung der Beweislastumkehr bei Rittigkeitsproblemen auch im Verbrauchsgüterkauf grundsätzlich ab.
2) Eignung als Springpferd
Im Jahr 2011 musste das Landgericht Stade einen Rechtsstreit entscheiden, in dem es um die Frage ging, ob das Pferd zum Zeitpunkt der Übergabe als Springpferd geeignet war oder nicht. Das Pferd war von einem älteren Herren erworben wurden, nachdem es nachweislich Platzierungen auf Turnieren in Springprüfungen erlangt hatte. Der Käufer rügte nun, das Pferd sei als Springpferd nicht geeignet, da es bei ihm nicht mehr springen wollte, außerdem würde das Pferd mit dem Kopf schlagen und in jeder Biegung im Kontergalopp gehen. Das Gericht erhob Beweis über die Frage, ob das Pferd grundsätzlich als Springpferd geeignet war zum Zeitpunkt der Übergabe oder nicht. Der Sachverständige nahm das Pferd in Augenschein, ließ es durch einen von ihm gestellten Reiter testen und kam zu dem Ergebnis, dass es zum Zeitpunkt des Ortstermines leicht durch das Genick zu stellen war, gelegentlich im Kreuzgalopp viel, aber als Springpferd als durchaus geeignet angesehen werden müsse. Ob dieser Umstand bereits zum Zeitpunkt der Übergabe vorgelegen habe oder nicht, konnte der Sachverständige nicht klären. Das Gericht führte in den Entscheidungsgründen aus, dass die Unmöglichkeit der Beweisführung nicht auf mangelnde Kompetenz des Sachverständigen zurückzuführen sei, sondern darauf, dass sich bei Pferden der Allgemeinzustand sehr schnell ändern kann und daher mit hinreichender Sicherheit keine Rückschlüsse auf ein früheres Verhalten gezogen werden können.
3) Unreitbarkeit
Die Unreitbarkeit wird häufig von Käufern gerügt. Nicht selten liest man dann, das Pferd seie bösartig, schlage und beiße nach dem Reiter und versuche ihn sofort abzubocken. In derartigen Fällen ist genau zu überprüfen, was die Parteien konkret vereinbart haben. Nicht selten hat der Kauf per Handschlag stattgefunden, es gibt keine Vereinbarung und teils auch keine Verkaufsanzeige oder ähnliches, die Aufschluss darüber geben kann, was die vereinbarte Beschaffenheit zum Zeitpunkt der Übergabe sein sollte. Ist hier nichts vereinbart muss ermittelt werden, was die übliche Beschaffenheit eines vergleichbaren Pferdes ist. Einen derartigen Fall hatte vor einigen Jahren ebenfalls das Landgericht Stade zu entscheiden. Der Käufer des Pferdes rügte, dass die veräußerte Stute sofort anfängt zu Buckeln, sobald der Reiter versucht sich darauf zu setzen. Der Verkäufer konnte sich dies nicht erklären, das Pferd war bei ihm immer brav. Erst in der mündlichen Verhandlung stellte sich dann heraus, dass der Verkäufer das Pferd dreijährig roh verkauft hatte, der Käufer aber meinte, ein bereits gerittenes Pferd erworben zu haben. Im neuen Stall angekommen hatte er das Pferd dann gleich gesattelt und sich darauf gesetzt. Dies quittierte das Pferd natürlich mit Panik und Abbuckeln des Reiters. Durch diesen Übergriff traumatisiert ließ es sich in der Folge dann tatsächlich nicht mehr reiten. Das Gericht erhob daraufhin Beweis über die Frage, ob vereinbarte Beschaffenheit war, dass das Pferd bereits geritten war oder nicht. Verkäufer und Käufer konnten jeweils den Ehepartner als Zeugen benennen. Das Gericht konnte nicht entscheiden, wem es glauben sollte, so dass es nach der Beweislast entschied. Der Verkäufer muss grundsätzlich beweisen, dass der Mangel zum Zeitpunkt der Übergabe vorlag, diesen Beweis konnte der Käufer somit nicht führen. Die Klage wurde abgewiesen.
4) “M Springen platziert”
Immer wieder kommt es dazu, dass der Verkäufer im Kaufvertrag – und gegebenenfalls schon zuvor in der Verkaufsanzeige – angibt, das Pferd habe bestimmte Platzierungen auf dem Turnier erlangt. Nach Übergabe stellt sich dann heraus, dass es sich nicht um eine offizielle Platzierung handelt, sondern um eine auf dem Hausturnier des Reitvereines oder auf einem Reitertag erlangte Platzierung handelt, die aber nicht bei der Deutschen Reiterlichen Vereinigung registriert ist. Die Rechtsprechung ist hier eindeutig. Derartige Angaben zu Platzierungen eines Pferdes beziehen sich ausschließlich auf Platzierungen, die bei der Deutschen Reiterlichen Vereinigung auch registriert werden, somit also “offiziell” sind. Stellt sich nun heraus, dass die angegebene Platzierung keine offizielle war, so ist der Verkäufer des Pferdes zwingend vor Rücktritt vom Kaufvertrag zur Nacherfüllung aufzufordern. Auch hierzu gibt es umfangreiche Rechtsprechung. Dem Verkäufer muss die Möglichkeit gegeben werden, das Pferd noch einmal in den angegebenen Prüfungen auf einem Turnier vorzustellen und so die angegebene Platzierung zu erlangen.
So hatte in Süddeutschland ein Verkäufer angegeben, das Pferd sei bereits in Springprüfungen der Klasse “M” platziert, tatsächlich lagen aber nur Platzierungen der Klasse “L” vor. Nachdem der Käufer nun mit dem Pferd nicht so harmonierte, wie er es sich vorgestellt hatte, rügte er, dass die Beschaffenheit “M Springen platziert” nicht vorliegt. Er forderte den Verkäufer zur Nacherfüllung auf, der sofort das Pferd abholte, es kurze Zeit ritt und dann auf Turnieren vorstellte. Innerhalb von nur drei Wochen war der Verkäufer tatsächlich in der Lage, die Platzierung nachzuholen. Da die Aufforderung zur Nacherfüllung erst im Rahmen des laufenden Prozesses erfolgt war, entschied das Landgericht, dass eine Mangelhaftigkeit nicht gegeben war, sondern die Nacherfüllung erfolgreich durch den Verkäufer durchgeführt wurde. In diesem Fall wies es die Klage ebenfalls ab.
5) Sattelzwang
Auch der Sattelzwang beschäftigt die Gerichte in regelmäßigen Abständen. Im Jahr 2013 musste das Landgericht Verden einen Rechtsstreit entscheiden, in dem es um ein Kinder-Pony ging. Das Pony wurde in einer Verkaufsanzeige als verladefromm und für Kinder geeignet bezeichnet. Die Käufer rügten nun, das Pony leide unter Sattelzwang und gehe nicht auf den Pferdeanhänger. Das Landgericht Verden würdigte – entgegen der ersten Instanz – die Angaben in der Verkaufsanzeige nicht als eine Beschaffenheitsvereinbarung, sondern um Angaben zur möglichen Verwendung des Pferdes. Nichtsdestotrotz wurde ein Sachverständigengutachten eingeholt. Der Sachverständige sah sich das Pony über zwei Jahre nach dem Übergabetermin an und kam zu dem Ergebnis, dass ein Sattelzwang nicht erkennbar war und dass das Pony als verladefromm bezeichnet werden könne. Die gerügten Mängel konnte der Sachverständige bei dem Ortstermin nicht bestätigen.
Sattelzwang beschäftigt die Gerichte aber teilweise auch in anderen Konstellationen. So hatte ein Pony in einem Reitschulbetrieb bekanntermaßen erheblichen Sattelzwang. Zu diesem Zwecke musste ihm beim Nachgurten auf allgemeine Anweisung vorher ein Maulkorb umgelegt werden, da das Pony unter extremen Sattelzwang litt und sowohl nach am Boden stehenden Personen biss als auch nach dem nachgurtenden Reiter selber. Eines der Ferienkinder setzte sich über diese Anweisung hinweg und gurtete das Pony nach, dabei wurde es schwer gebissen. Das Kind verlangte daraufhin Schadensersatz vom Reitstallbetreiber. In diesem Rechtsstreit war streitig, ob das Kind über den Sattelzwang informiert war oder nicht. Im Ergebnis konnte der Stallbetreiber den Beweis nicht führen, so dass er verpflichtet wurde dem Kind ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen. Das Gericht ging davon aus, dass er sich als Betreiber einer Reitschule auch nicht entlasten könnte, weil das Pony üblicherweise einen Maulkorb erhielt, bevor es nachgegurtet wurde. Hier sah das Gericht gesteigerte Anforderungen an die Sorgfaltspflicht. Das Gericht sah es nicht als ausreichend an, den Kindern mitzuteilen, dass ein Maulkorb vorab anzulegen war, vielmehr hätten sich die Erwachsenen vor Ort, die im Auftrag des Pferdehalters tätig wurden, kümmern müssen. Eine derartige Aufgabe könne man nicht Kindern überlassen, selbst wenn sie vorher informiert würden.
6) Steigen
Auch das Steigen, welches sich im Rahmen der Ausbildung entwickeln kann, beschäftigt immer wieder die Gerichte. Auch hier ist üblicherweise der Nachweis nicht zu führen, dass bereits zum Zeitpunkt der Übergabe die Verhaltensauffälligkeit vorgelegen hat. Anders sieht es allerdings aus, wenn sich Zeugen finden, dass das Pferd schon massiv beim Vorbesitzer gestiegen ist. Derzeit muss das Oberlandesgericht in Celle einen Fall entscheiden, in dem es um nachhaltiges Steigen eines Pferdes geht. Der Käufer hatte das Pferd vierjährig für seine Tochter als Dressurpferd erworben. Wenige Wochen nach dem Kauf begann das Pferd vornehmlich beim Durchreiten der Ecken sich zu widersetzen und zu steigen. Der Käufer forschte daraufhin in der Vergangenheit des Pferdes und stieß auf die ehemalige Bereiterin des Verkäufers. Diese teilte ihm mit, dass sie das Pferd nicht mehr reiten wollte, nachdem es über einen Zeitraum von drei Monaten immer wieder stieg und das Verhalten nicht besser wurde. Der Käufer rügte daraufhin einen arglistig verschwiegenen Mangel, er benannte als Zeugin die ehemalige Bereiterin des Verkäufers. Das erstinstanzliche Gericht hörte diese Zeugin noch nicht einmal an, es wollte alleinig einen Ortstermin durchführen, an dem ein Sachverständiger das Pferd in Augenschein nimmt und feststellen sollte, ob das Pferd steigt und ob diese Verhaltensauffälligkeit bereits zum Zeitpunkt der Übergabe vorgelegen hat. Da das Pferd inzwischen chronisch lahm ist, konnte der Ortstermin nicht stattfinden. Daraufhin wies das Landgericht die Klage ab. Das zweitinstanzliche Gericht wird nun die Zeugin im Beisein eines Sachverständigen anhören und befragen. Es bleibt abzuwarten, ob das Gericht von einem Mangel bei Übergabe ausgeht, oder ob es zu Grunde legt, dass es sich hier um übliche Ausbildungsprobleme handelt.
Die geschilderten Fälle zeigen deutlich, dass die Beweisführung für den Käufer bei Rittigkeitsproblemen und sonstigen Verhaltensauffälligkeiten des Pferdes äußerst schwierig sind. Dies gilt im Übrigen auch für Verhaltensauffälligkeiten im Sinne von Koppen und weben. Hier haben verschiedene Gerichte bereits entschieden, dass selbst beim Verbrauchsgüterkauf die zeitliche Vermutungsregelung des§ 476 BGB nicht angewendet wird, der Käufer also den vollen Beweis dafür zu führen hat, dass das erworbene Pferd bereits zum Zeitpunkt der Übergabe mangelbehaftet war. Dieser Beweis ist äußerst schwierig zu führen, wenn nicht gar unmöglich. Finden sich hier keine Zeugen, die bestätigen können, dass bereits zum Zeitpunkt der Übergabe entsprechende Probleme aufgetreten sind, ist der Beweis kaum zu führen.
Iris Müller Klein, Fachanwältin für Medizinrecht